Podĭebrad und Kunstatt

[59] Podĭebrad und Kunstatt, Georg von, König von Böhmen (1458–71), Sohn Victorin Boczkos von Kunstatt und Podiebrad, geb. 23. April 1420 in Poděbrad, gest. 22. März 1471 in Prag. Von seinem ersten politischen Auftreten 1439 bekannte er sich zur utraquistischen Partei, trat nach dem Tode ihres bisherigen Führers, Hinek Ptaček von Pirkstein (1444), an deren Spitze und erlangte bald durch Entschlossenheit, Einsicht, Gewandtheit und Schlauheit das höchste Ansehen in Böhmen. Er bemächtigte sich in der Nacht vom 2. zum 3. Sept. 1448 durch einen Handstreich der Hauptstadt Prag, ließ sich 1452 zum Landesverweser wählen, bezwang die widerstrebenden extremen Parteien und bewirkte 1453 die Wahl des jungen Königs Ladislaus Posthumus zum König von Böhmen, für den er auf sechs Jahre die Regentschaft übernahm und Frieden und Ordnung im Lande wiederherstellte. Als Ladislaus 1457 starb, wurde P. 2. März 1458 selbst zum König erwählt und 7. Mai 1459 gekrönt; letzteres allerdings erst nach seinem und seiner Gemahlin Gelöbnis des Gehorsams an die römische Kirche (Obedienzeid). Er wußte sich die Anerkennung seitens der deutschen Kurfürsten und des Kaisers Friedrich III. zu erwirken, unterwarf sich Mähren, Schlesien und die Lausitz, ordnete das zerrüttete Finanz- und Münzwesen und bemühte sich wirklich, die religiösen Zwistigkeiten auf friedlichem Wege zu schlichten und durch geschicktes, geschmeidiges Verhalten sowohl den Papst als die Utraquisten sich geneigt zu machen. Nach langem Zögern entsandte der König 1462 eine Gesandtschaft nach Rom, die einerseits feierlich in seinem Namen Gehorsam leisten, anderseits aber die Bestätigung der Kompaktaten und des Laienkelches vom Papst erwirken sollte. Papst Pius II. verweigerte das letztere und forderte bedingungslosen Gehorsam, doch wurde der volle Bruch mit dem Papsttum noch vermieden. Erst als Papst Paul II. 1466 den König mit dem Bann belegte, brach der offene Kampf gegen ihn aus. Während in Böhmen der katholische Herrenbund und in Schlesien die fanatisch katholische Bürgerschaft von Breslau den Krieg begannen, rückte König Matthias von Ungarn als Vollstrecker des Kirchenbannes gegen P. heran, besetzte Mähren, drang in Böhmen ein, wurde aber 1469 bei Wilamow umzingelt und zum Waffenstillstand gezwungen. Dessenungeachtet ließ sich Matthias Corvinus 12. April 1469 in Olmütz von den katholischen Ständen zum König von Böhmen wählen und vom päpstlichen Legaten krönen. P. behauptete sich jedoch gegen alle seine Feinde und bewog Matthias zu Friedensunterhandlungen, vor deren Abschluß P. starb, nachdem er über die Thronfolge der Jagellonen in Böhmen Abmachungen getroffen hatte, die seinen eignen Söhnen nur das Familienvermögen sicherten, während sein Nachfolger König Kasimirs von Polen ältester Sohn Wladislaw werden sollte, unter der Bedingung, daß er sich mit Georgs Tochter Ludmilla vermählte. Vgl. Jordan, Das Königtum Georgs von P. (Leipz. 1861); Bachmann, Ein Jahr böhmischer Geschichte. Georgs von P. Wahl, Krönung und Anerkennung (Prag 1876) und Böhmen und seine Nachbarländer unter Georg von P. 1458–1461 (das. 1878). – Seine Söhne Victorin und Heinrich (Hinko) nannten sich Herzoge von Münsterberg und Grafen von Glatz. Hinko 1. tauschte gegen die Herrschaft P. Öls und Wohlau ein. 1647 erlosch das Geschlecht im Mannesstamm. Von Podiebrads vier Töchtern ward Sidonie als Gemahlin des Herzogs Albrecht des Beherzten von Sachsen eine Stammutter des sächsischen Königshauses.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 59.
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