Rebus

[655] Rebus (Bilderrätsel), besondere Art von Rätseln, bestehend aus Bildern von Gegenständen, deren Namen gleich oder ähnlich klingende Wörter oder Teile von solchen vertreten, so daß aus den Bildern und ihrer Zusammenstellung Begriffe und Sätze von völlig neuem, den Bildern durchaus fremdartigem Inhalt herausgelesen werden können. An die Stelle der Bilder oder zu ihnen können auch allerlei Zeichen, insbes. Lautzeichen treten; ihre Verbindung untereinander oder mit den Bildern ergibt dann die darzustellenden Begriffe oder Sätze. Endlich wird auch wohl durch geeignete Zusammenstellung von Bildern ein ihrem Sinn fremdes Bild erzeugt. Der R. ist wie jedes Rätsel eine Art des Witzes, dem witzigen Wortspiel am nächsten verwandt. Wie beim Witz überhaupt, so erscheint bei ihm das logisch Sinnlose als Träger eines Sinnes, oder das Sinnvolle vom Standpunkt der Logik aus unsinnig oder widersinnig. Der Name R. wird aus dem Titel einer Sammlung von Fastnachtsschwänken: »De rebus, quae geruntur« (etwa soviel wie: »Was so in der Welt sich ereignet«), hergeleitet. Französische Notariatsschreiber (speziell der Picardie) pflegten jährlich zur Karnevalszeit Pasquille zu fertigen mit jener Aufschrift. Diese Spottschriften, die sie in öffentlichem Aufzuge vorlasen, mögen zum Teil aus einer Art von Rebussen bestanden haben. Unter den Rebussen, die aus Lautzeichen bestehen, können, als besondere Art, diejenigen hervorgehoben werden, bei denen Wörter vermöge ihrer sichtbaren Gruppierung oder Zusammenstellung den neuen Sinn ergeben, wie das bekannte:

Tabelle

d. h. Un sou(s)pir vient sou(s)vent d'un sou(s)venir. Eine Art desjenigen R., bei dem durch geeignete Gruppierung verschiedener Bilder ein neues Bild erzeugt wird, wurde auf den sogen. Koselgulden durch Nebeneinanderstellung zweier Schilderhervorgebracht. Rebusse, bei denen der Name eines Gegenstandes gleich oder ähnlich klingende Wörter vertritt, finden sich schon in gewissen weissagerischen Deutungen der Alten in ziemlicher Zahl. Alexander d. Gr. belagert Tyros und sieht im Traum einen Satyr (Satyros): Sa Tyros (Dein ist Tyros) war die Deutung. Diesen Deutungen analog ist die gleichfalls ins hohe Altertum hinausreichende Verwendung der Bilder von Gegenständen zur Namendarstellung. So hat sich Cicero gelegentlich einer Erbse (cicer) zur Bezeichnung seines Namens bedient. Auf diesem Weg erlangten die Rebusse im Mittelalter ihren Platz auf den sogen. redenden Wappen. Mehrsilbige Namen forderten schon zusammengesetzte Rebusse (z. B. im kurfürstlich sächsischen Wappen die Grafschaft Henneberg im goldenen Feld eine schwarze Henne auf grünem Hügel). Wahlsprüche in Rebussen auszudrücken, lag dann auch nicht mehr fern.[655] P. Marchio, Nunzius des Papstes Adrian, trug drei Diamanten in kreisförmigem Gehänge, tre diamanti in uno (circolo); er meinte damit: tre Di(i) amanti in uno, drei göttliche Personen in Einem Gott liebend. Das 16. Jahrh. zeigt in Italien und Frankreich die Rebusse in voller Blüte. Fischart will, freilich persiflierend, auch deutsche Rebusse bilden, indem er eine »lahme Tatze« für Lamentation, eine »schäbige Kutte« für Kalkutta nehmen läßt; Harsdörfer (gest. 1658) schreibt mit Hilfe der alten Namen der Noten Verse und erzählt, daß eine verlassene Ehefrau ihrem weit jugendlichern Gatten eines Degens Scheide sandte mit der Aufschrift: »n tut weh«, worauf dieser zur Antwort eine mit dem Wörtchen »Zu« beschriebene Eibischwurzel (Althäe) sandte (»Zu alte Eh'«). Die rebusförmige Namendarstellung warin Deutschland und den Niederlanden wie in England, Frankreich, Italien in Signeten, auf Schilden und Schildern üblich. Zur Zeit des Siebenjährigen Krieges begegnen wir den Rebussen in England sogar in politischer Tätigkeit. Neben- und nacheinander zur Ehre dienend oder zum Schimpf ersehen, bald Gottesfurcht, bald Üppigkeit bedeutend, schließen die Rebusse zugleich ein Stück Sittengeschichte in sich, das mit lebhaftem Interesse zu erfüllen geeignet ist. Seit den 1840er Jahren pflegen in Deutschland die illustrierten Journale den R. Vgl. »Rebusalmanach« (Leipz. 1845); F. R. Hoffmann, Grundzüge einer Geschichte des Bilderrätsels (Berl. 1869); Delepierre, Essai historique et bibliographique sur les rébus (Lond. 1874).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 655-656.
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