Reichard

[725] Reichard, 1) Heinrich August Ottokar, Schriftsteller, geb. 3. März 1751 in Gotha, gest. daselbst 17. Okt. 1828, studierte in Göttingen, Leipzig und Jena Rechtswissenschaft und ließ sich dann in Gotha nieder, wo er 1775–79 die Leitung des Hoftheaters führte, das damals in hoher Blüte stand (vgl. Hodermann, »Geschichte des gothaischen Hoftheaters 1775–1779«, Hamb. 1894), 1799 zum Kriegskommissionsrat, 1801 zum Kriegsrat, 1825 zum Kriegsdirektor ernannt wurde. R. machte sich besonders bekannt und verdient durch die Herausgabe des »Theater-Kalenders« (Gotha 1775–1800, 25 Bde.) und des »Theaterjournals« (das. 1777–84,22 Stück) sowie durch seine damals viel benutzten Reisebücher, namentlich den auch in französischer Sprache erschienenen »Passagier auf der Reise in Deutschland etc.« (Berl. 1805; 19. Aufl. 1861, 2 Bde.). Seine Poesien, Novellen, Almanache, Übersetzungen u. dgl. waren bald vergessen. Dagegen erfreuten sich die von ihm herausgegebenen periodischen Schriften: »Nouveau Mercure de France« (1776–1796 unter verschiedenen Namen), »Olla Potrida« (1778–1800) und »Bibliothek der Romane« (1775 bis 1794) eines langen Lebens. Reichards Selbstbiographie gab H. Uhde heraus (Stuttg. 1877).

2) Christian Gottlieb, Kartograph, geb. 26. Juni 1758 in Schleiz, gest. 11. Sept. 1837 in Lobenstein, studierte 1777–81 in Leipzig die Rechte, wurde 1782 Stadtschreiber in Lobenstein, wandte sich dann, als 1798 Zach und Bertuch die »Allgemeinen Geographischen Ephemeriden« gründeten, der Geographie zu und nahm bis 1805, wo der Krieg jener Publikation ein Ende machte, an ihr tätigen Anteil. Namentlich beschäftigte er sich auch mit der Projektionslehre und veröffentlichte 1803 in Weimar einen »Atlas des ganzen Erdkreises etc.« in 6 Tafeln in der Zentralprojektion. 1812 verband er sich mit Stieler zur Herausgabe des »Handatlas« (in Perthes Verlag zu Gotha), lieferte Karten für Campe in Nürnberg, für den er auch Smiths »Atlas der Alten Welt« neu bearbeitete, veröffentlichte eine »Weltkarte in Mercators Projektion« in 4 Blättern, »Geographische Nachweisungen der Kriegsvorfälle Cäsars in Gallien« (Leipz. 1832) u. a.

3) Paul, Afrikareisender, geb. 2. Dez. 1854 in Neuwied, studierte auf dem Polytechnikum in München, trat dann in das kaufmännische Geschäft seines Vaters ein und schloß sich 1880 der Expedition der Deutschen Afrikanischen Gesellschaft an, die unter Führung von Hauptmann Schöler mit Kaiser und Böhm nach Ostafrika ging. Schöler kehrte bald nach Gründung der Station Kakoma zurück, Kaiser starb 1882 am Rikwasee; darauf zog R. mit Böhm zum Tanganjika, gründete an dessen Westufer die Station Mpala und drang dann bis zum obern Lualaba vor, wo auch Böhm 1884 in Katapäna starb. Nach einem vergeblichen Versuch, durch das kupferreiche Katanga nach S. durchzudringen, gelangte R. unter großen Gefahren und mit Verlust seiner Sammlungen zum Tanganjikasee, von wo er nach Sansibar und nach 51/2jähriger Abwesenheit 1886 nach Deutschland zurückkehrte. Über seine Reisen berichtete er in den »Mitteilungen der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland«. Außerdem schrieb er: »Emin Pascha, ein Vorkämpfer der Kultur im Innern Afrikas« (Leipz. 1891), »Deutsch-Ostafrika, das Land und seine Bewohner« (das. 1892) und die Biographie »Stanley« (Berl. 1896). R. lebt in Charlottenburg.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 725.
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