Saint-Omer

[446] Saint-Omer (spr. ßängt-omǟr), Arrondissementshauptstadt im franz. Depart. Pas-de-Calais, an der schiffbaren Aa, in die hier der Kanal von Neuffossé mündet, in sumpfiger Gegend gelegen, Knotenpunkt der Nordbahn, hat eine schöne ehemalige Kathedrale Notre-Dame (12.–15. Jahrh.), mit bemerkenswerten Skulpturen und Grabmälern, eine Kirche St.-Sepulcre (14.–16. Jahrh.) mit einem Gemälde von Crayer, eine Kirche St.-Denis (15.–18. Jahrh.), Reste der Abteikirche St.-Bertin (1326–1520), einen Justizpalast (ehemals bischöflicher Palast) und ein Stadthaus mit Theater. S. zählt (1901) 19,974 (als Gemeinde 20,867) Einw. und hat Fabriken für Wäsche, Zucker, Branntwein, Öl, Likör, Senf, Tonpfeifen, Wirkwaren, Färbereien, Salzraffinerien sowie Handel mit Getreide, Mehl und Wein. Die Stadt ist Sitz eines Gerichts- und Assisenhofs und eines Handelsgerichts, hat ein Lyzeum, ein geistliches Kollegium, eine Musik- und eine Zeichenschule, eine Bibliothek von 25,000 Bänden, 3 Museen, eine Ackerbau- und eine Handelskammer und ein Militärspital. – Die Stadt bildete sich um die Abtei Sithieu (St.-Bertin) und ward seit dem 10. Jahrh. nach ihrem Gründer,[446] dem heil. Omer (Audomari fanum), benannt. 1071 erlitten Graf Arnulf III. von Flandern und König Philipp I. von Frankreich hier eine Niederlage durch Robert den Friesen. Die Stadt gehörte zur Grafschaft Artois und mit dieser zu Burgund, seit 1493 zu den Niederlanden. Die Franzosen belagerten sie 1629 vergeblich; aber 1677 eroberte sie der Herzog von Orléans, und im Frieden von Nimwegen 1678 wurde sie an Frankreich abgetreten. An die erfolglose Belagerung durch Prinz Eugen und Marlborough 1710 erinnert ein 1884 errichtetes Denkmal der Jacqueline Robins, welche die Festung durch Zufuhr von Lebensmitteln rettete. S. war bis 1789 Bischofssitz; als Festung wurde es 1892 ausgelassen. 3 km südöstlich bei Arques am Kanal von Neuffossé die hydraulische Schleuse von Fontinettes (1887 vollendet), durch welche die Schiffe 13 m hoch emporgehoben werden. Die Geschichte der Stadt schrieben Giry (bis 14. Jahrh., Par. 1877) und Deschamps de Pas (Arras 1891).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 446-447.
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