Deschamps

[664] Deschamps (spr. dä-schāng), 1) Eustache, genannt Morel, der hervorragendste franz. Dichter des 14. Jahrh., geb. um 1330 in Vertus (Marne), gest. nach 1415, studierte in Orléans die Rechte, fand bei Karl V. Verwendung im diplomatischen Dienste, der ihn nach Ungarn und der Lombardei führte, und wurde dann Bailli (Amtmann) zu Senlis. Außer dem »Miroir de mariage« und dem »Art de dictier«, d. h. Kunst des Dichtens (von 1392, dem ältesten Werk dieser Art), verfaßte er meist kleinere Gedichte, sogen. Balladen, unter denen die politischen und moralischen die bedeutendsten sind. Eine Ausgabe besorgt Queux de Saint-Hilaire und seit dessen Tod Raynaud (Par. 1878ff., bis jetzt 10 Bde., der elfte und letzte soll das Leben D.' behandeln). Vgl. Sarradin, Eustache D., sa vie et ses œuvres (Versaill. 1878).

2) Leodegar Maria, franz. Philosoph, geb. 1716 in Poitiers, gest. 1774, gehörte dem Orden der Benediktiner an, neigte aber dem Spinozismus zu, dessen dualistische Elemente er durch eine Art Hylozoismus aufzuheben suchte Sein Werk: »La Vérite, ou le vrai systeme« fand Beaussire in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts auf. Vgl. Beaussire, Antécédents de l'hegelianisme dans la philosophie française (Par. 1865).

3) Emile, franz. Dichter, geb. 20. Febr. 1791 in Bourges, gest. 23. April 1871 in Versailles, schloß sich in dem Streite der Klassiker und Romantiker mit Begeisterung den letztern an, gründete mit Vietor Hugo 1824 das Journal »La Muse française« und erwies sich bald als einer der kühnsten und geschicktesten Vertreter der neuen Richtung. Seit 1848 lebte er zurückgezogen und zuletzt erblindet in Versailles. Von seinen Werken sind weiter hervorzuheben: »Études françaises et étrangères« (1828–33), mit Übertragungen Goethescher und Schillerscher Gedichte; »Poésies« (1842); Bearbeitungen von Shakespeares »Romeo und Julie« mit Kommentar (1839) und »Macbeth« (1844); »Poésies des crêches« (1854); ferner eine Reihe von Dramen ernster wie heiterer Natur, die von namhaften Komponisten (Bellini, Halévy, Rossini, Auber) in Musik gesetzt wurden, und »Contes philosophiques« (1854). Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien 1872–74 (6 Bde.).

4) Antony, franz. Dichter, Bruder des vorigen, geb. 12. März 1800 in Paris, gest. 29. Okt. 1869 in Passy, begann seine poetische Laufbahn mit einer Übersetzung von Gesängen aus Dantes »Divina Commedia« (1829); zwei Jahre später erschienen seine »Satires politiques«, die sich durch feste, männliche Sprache auszeichnen und doch auch dem poetischen Element sein Recht gönnen. In diesen Jahren kam bei ihm eine Geisteskrankheit zum Ausbruch, deren Keime er von frühester Jugend her in sich trug; in der Verzweiflung über sein unheilbares Leiden fand er in den »Dernières paroles« (1835) oft Töne von erschütternder Wahrheit. D. gehörte ebenfalls zum engsten Kreis der Romantiker und hat diese Richtung in zahlreichen Journalartikeln eifrig vertreten, besonders auch in seinen Reisestudien über Italien.

5) Gaston, franz. Kritiker und Romanschriftsteller, geb. 5. Jan. 1861 in Melle (Deux-Sèvres), Schüler der Pariser Normalschule, machte 1885–88 archäologische Untersuchungen in Griechenland und Kleinasien, wurde Gymnasiallehrer in Sens, dann Studienlehrer an der Normalschule und schrieb Reiseberichte für das »Journal des Débats«. 1893 übernahm er die literarische Kritik im »Temps«, in der er ausgedehnte Kenntnisse und hinreichendes Urteil zeigt. Er veröffentlichte: »La Grèce d'aujourd'hui« (1892, von der Akademie gekrönt), »Sur les routes d'Asie« (1894), »La vie et les livres« (4 Serien, 1894–97), den gut geschriebenen, aber handlungslosen Roman »Le chemin fleuri« (1896), »Marivaux« (1897) und »Le Malaise de la démocratie« (1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 664.
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