Salpetersaures Kali

[484] Salpetersaures Kali (Salpeter, prismatischer oder Kalisalpeter, Nitrum) KNO3 findet sich mit andern Salpetersäuresalzen, besonders mit salpetersaurem Kalk und salpetersaurer Magnesia, an Stellen, die der Bildung von Salpetersäure (s. d.) günstig sind, an Mauern, in die Urin, Kanalwasser etc. einsickern kann, auf Ceylon in Kalksteinhöhlen, die von zahllosen Fledermäusen bewohnt werden; unter ähnlichen Verhältnissen findet sich Salpeter am Adriatischen Meer in Italien, in Tennessee, Kentucky, Virginia, am Missouri und Crookedfluß, in Afrika und auf Tenerife. Ferner finden sich in Indien (Bengalen, Patna), auch in Peru, Bolivia, Arabien, Ägypten, bei Prieska in der Kapkolonie, in Persien, Spanien, Ungarn Salpetersäuresalze oft in großer Ausdehnung im Boden, aber immer nur in einer durch die Luft noch erreichbaren Tiefe; durch eindringende Feuchtigkeit gelöst, gelangen die Salze an die Oberfläche und bilden Auswitterungen, die, mit Erde gemischt, eingesammelt (Kehrsalpeter) und auf Salpeter verarbeitet werden. In ähnlicher Weise benutzt man in Indien auch die Erde in der Nähe der Wohnungen, die mit dem Harn von Menschen und Tieren getränkt ist. Der Stickstoff des Harns wird so schnell in Salpetersäure verwandelt, die sich mit dem im Boden enthaltenen Kali verbindet, daß man die Erde in kurzen Zwischenräumen auslaugen kann (vgl. Gayerde). In Ungarn, Schweden, Spanien und in der Schweiz betrieb man früher Salpeterplantagen, indem man Dünger, tierische Abfälle etc. mit lockerer humusreicher Erde, Mergel, Bauschutt, Holzasche etc. schichtete und 2–3 Jahre mit Stalljauche feucht erhielt. Diese Massen enthalten dann reichlich Kalisalpeter neben salpetersaurem Kalk, salpetersaurer Magnesia etc., die durch systematisches Auslaugen erhaltene Lösung wird mit Pottasche (kohlensaurem Kali) versetzt (gebrochen), um Kalk und Magnesia als Kohlensäuresalze zu fällen und s. K. zu bilden. Die geklärte Lauge wird verdampft, wobei sich ein großer Teil der fremden Salze ausscheidet, und dann zur Kristallisation gebracht. Der rohe Salpeter wird durch Umkristallisieren gereinigt. Gegenwärtig wird bei weitem der meiste Salpeter aus Chilisalpeter (salpetersaurem Natron) dargestellt (Konversionssalpeter), indem man letztern mit Chlorkalium in Wasser löst und die Lösung stark verdampft. Es scheidet sich dabei viel Chlornatrium aus, und die beim Erkalten durch ein Rührwerk bewegte Lösung liefert Kalisalpeter als seines Kristallmehl, das sodann durch Decken mit gesättigter Salpeterlösung gereinigt wird.

Salpeter bildet farblose, wasserfreie, luftbeständige Kristalle vom spez. Gew. 2,1, schmeckt kühlend, wenig bitter, löst sich in Wasser unter starker Temperaturerniedrigung, und zwar lösen 100 Teile Wasser

Tabelle

und bei 114,1°, dem Siedepunkt der gesättigten Lösung, 327,4 Teile Salpeter. In Alkohol ist Salpeter unlöslich. Er schmilzt bei 339°, erstarrt grobstrahlig kristallinisch, verliert in stärkerer Hitze Sauerstoff und gibt salpetrigsaures Kali, zuletzt Kali. Geschmolzener Salpeter wirkt daher sehr kräftig oxydierend, gibt z. B. beim Erhitzen mit Kohlenpulver unter lebhafter Verbrennung kohlensaures Kali, Kohlensäure und Stickstoff, mit Schwefel schwefelsaures Kali und Stickstoff; er oxydiert bei hoher Temperatur die meisten Metalle, verbrennt organische Stoffe, gibt mit überschüssigem Weinstein durch Kohle schwarz gefärbtes, bei Überschuß von Salpeter aber weißes kohlensaures Kali (schwarzer und weißer Fluß). Salpeter stört bei anhaltendem Gebrauch die Verdauung, wirkt reizend, in großen Dosen giftig, setzt die Pulsfrequenz und Körpertemperatur herab und wird deshalb als Arzneimittel bei entzündlichen, fieberhaften Affektionen auch als Diuretikum benutzt. Am häufigsten dient er zur Darstellung von Schieß- und Sprengpulver, Feuerwerkskörpern, Salpetersäure, Schießbaumwolle etc. zu Kältemischungen, in der Glasfabrikation zum Reinigen der Glasmasse, als Oxydations- und Flußmittel bei Metallarbeiten, zum Pökeln des Fleisches neben Kochsalz und zu chemischen und pharmazeutischen Präparaten. Seit der Herstellung der Salpetersäure aus Chilisalpeter und der Einführung des rauchschwachen Pulvers ist die Bedeutung des Salpeters stark gesunken. Deutschland führte 1905 an Kalisalpeter 21,563 dz ein und 121,396 dz aus. – Der Salpeter war den Chinesen vielleicht schon vor 2000 Jahren bekannt. Marcus Gräcus und Geber erwähnen ihn zu Anfang des 8. Jahrh. als Sal Petrae, bei den jüngern Alchimisten findet er sich als Sal Nitri, während er später einfach Nitrum genannt wurde, unter welchem Namen die Alten das kohlensaure Natron verstanden. Große Bedeutung gewann Salpeter durch die Erfindung des Schießpulvers, und lange wurde der Bedarf durch die heimischen Salpeterplantagen und durch den in dischen Salpeter gedeckt. Bei der plötzlich stark gesteigerten Nachfrage nach Salpeter während des Krimkriegs begannen Wöllner, Grüneberg und Nöllner die Darstellung von Konversionssalpeter aus Chilisalpeter, die durch die Staßfurter Kaliindustrie neue Anregung gewann und die Salpeterplantagen bedeutungslos machte. Vgl. Thiele, Salpeterwirtschaft u. Salpeterpolitik. Eine volkswirtschaftliche Studie über das ehemalige europäische Salpeterwesen (in der »Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft«, Tübing. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 484.
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