Sansovīno

[582] Sansovīno, 1) Andrea, ital. Bildhauer (eigentlich Contucci), geb. 1460 in Monte San Savino bei Montepulciano, daher gewöhnlich S. genannt, gest. 1529, wurde Lehrling des A. Pollajuolo und bildete sich daneben nach Leonardo da Vinci. Unter diesen Einflüssen entstand die Ausschmückung der Sakramentsnische in San Spirito zu Florenz. Um 1491 berief ihn der König von Portugal nach Lissabon, wo er neun Jahre lang als Architekt und Bildhauer tätig war. 1500 nach Florenz zurückgekehrt, begann er hier die Marmorgruppe der Taufe Christi über dem Ostportal des Baptisteriums, die an Adel der Form und des Ausdrucks in jener Zeit einzig dasteht (s. Tafel »Bildhauerkunst IX«, Fig. 10), aber von ihm nicht vollendet wurde, da er eine Bestellung für den Dom von Genua (Statuen der Madonna und des Täufers, 1503) erhielt und sodann von Julius II. um 1505 nach Rom berufen wurde, um die Gräber der Kardinäle Basso und Sforza für das Chor von Santa Maria del Popolo auszuführen (s. Tafel »Grabmäler«, Fig. 12). Sie schließen sich in der Anordnung dem Stil des 15. Jahrh. an; es sind die herrlichsten Grabdenkmäler der Renaissance, die Rom[582] besitzt. 1512 schuf S. die Gruppe der heil. Anna selbdritt in Sant' Agostino zu Rom. Von 1513–29 war er im Auftrag Leos X. mit der Ausschmückung des heiligen Hauses zu Loreto beschäftigt. Die Reliefs der Verkündigung und der Geburt Christi und die Statue des Jeremias arbeitete er selbst, das übrige wurde unter seiner Aussicht von verschiedenen Künstlern ausgeführt. Die Schönheit der Antike mit freiem Sinn erfassend, verband er damit ein gediegenes Naturstudium; seine Figuren zeigen tiefe Empfindung, aber immer in den Schranken der Mäßigung. Er bildete viele Schüler. Vgl. Schönfeld, Andrea S. und seine Schule (Stuttg. 1881).

2) Jacopo, ital. Bildhauer und Architekt, eigentlich Tatti, genannt S. nach seinem Lehrer Andrea (s. oben), geb. 1486 in Florenz, gest. 27. Nov. 1570 in Venedig, war anfangs in Florenz und in Rom tätig und schuf in dieser ersten Periode seines Schaffens unter andern die Statue des Jakobus im Dom zu Florenz, einen marmornen Bacchus (im Museo nazionale daselbst, s. Tafel »Bildhauerkunst IX«, Fig. 12) und eine Madonna mit dem Kind in Sant' Agostino zu Rom, wo er von 1520–26 vorzugsweise als Architekt an mehreren Kirchenbauten (z. B. San Giovanni dei Fiorentini) beteiligt war. 1527 ging er nach Venedig, wo er sich bald ein so hohes Ansehen zu verschaffen wußte, daß er zum Baumeister der Republik bestellt wurde und in einer sehr umfangreichen Tätigkeit bis zu seinem Tode der Bau- und Bildhauerkunst Venedigs den Stempel seines Geistes ausprägte. Voll fruchtbarer Phantasie, ließ er sich bei seinen Bauten weniger durch konstruktives Empfinden als durch seinen Sinn für glänzende dekorative Wirkung leiten. Seine vornehmsten Bauschöpfungen sind: der Palast Corner (1532), die Markusbibliothek (seit 1536, nach Burckhardt »wohl das prächtigste profane Gebäude Italiens«, s. Tafel »Architektur X«, Fig. 5), die Zecca (Münze), die beim Einsturz des Markusturmes zerstörte Loggetta auf der Piazzetta (1540, mit vier Bronzefiguren von ihm, s. Tafel »Bildhauerkunst IX«, Fig. 14) und die Kirchen San Martino, San Giorgio de' Greci und San Giuliano. Von seinen in Venedig ausgeführten ungleichwertigen, oft manierierten, zum Teil aber sehr malerischen und lebendigen plastischen Werken sind noch zwei Reliefs der Grablegung und Auferstehung Christi an der Bronzetür der Sakristei von San Marco, ein sitzender Johannes in Santa Maria dei Frari, die Statuen der Hoffnung und der Liebe am Grabe des Dogen Venier in San Salvatore und die beiden Giganten (Mars und Neptun) auf der Riesentreppe des Dogenpalastes hervorzuheben. Vgl. Rosenberg in Dohmes »Kunst und Künstler«, 3. Teil.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 582-583.
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