Schriftarten

[40] Schriftarten, die aus Metall gegossenen, zur Herstellung des Typendruckes dienenden Lettern oder Typen, zerfallen in Fraktur und Antiqua. Hauptunterarten der erstern sind die der Kanzleischrift nachgebildete Kanzlei, die Schwabacher mit halb Antiqua-, halb Frakturformen, die Gotisch und zahlreiche andre mit allerhand Phantasieformen, wie Midoline etc. Eine Art neutraler, sich indes der Antiqua mehr zuneigenden Schriften sind die nach ihrem Zeichner benannte Eckmannschrift und die Behrensschrift, ferner die Künstlerschrift, die Walthari etc. Man hat bei Einführung dieser Schriften geglaubt, von ihnen eine Reform der bisherigen Druckschriften erwarten zu dürfen; sie sind aber Mode- und Akzidenzschriften geblieben, während die Fraktur und Antiqua in ihren Grundformen die gleichen geblieben sind und als Werk- und Zeitungsschriften das Feld behauptet haben. Der Antiqua gehören an die Kursiv, die Stein- oder Groteskschriften, Egyptienne etc., die Mediäval (Renaissance-Antiqua), die den Typen der Elzevier, Plantin, Jenson und andern berühmten Buchdruckern der Renaissancezeit nachgebildet ist. Technisch werden die verschiedenen S. in Brotschriften, Zier-, Akzidenz- und Plakat- oder Affichenschriften geschieden; erstere dienen zum Bücher- und Zeitungsdruck und umfassen die Kegel von 6–12 Punkten, während die Zier- und Akzidenzschriften bei den feinern Arbeiten, auf Büchertiteln, Umschlägen etc., und die Plakatschriften für Plakate zur Verwendung kommen. Die Mehrzahl dieser Schriften wird oft auch als fette, halbfette, breite, magere, enge, weite, verzierte, muserte, schattierte, umstochene etc. gegeben. Auch die Schreibschriftentypen für den Buchdruck (deutsche Kurrentschrift Antiqua und Rundschrift oder Ronde) haben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. außerordentliche Bereicherung und Verbesserung erfahren. Um mit den Schreibmaschinen Schritt zu halten und kaufmännischen Drucken größere Aufmerksamkeit zu sichern, benutzt man Schreibmaschinenschriften, die den bei Schreibmaschinen gebräuchlichen gleichen und nach deren Art mit unregelmäßigen Zeilenausgängen gedruckt werden. Ein kleines Bild der verschiedenen S. gibt folgende Zusammenstellung:

Tabelle

Die Größe (der Kegel, s. d.) der Schrift wurde in Deutschland bis zur Einführung des französischen Punktsystems, bez. des Bertholdschen Systems nur durch Namen bezeichnet, deren Entstehung nicht immer leicht nachzuweisen ist. Sie lauten (die nächstfolgenden neun sind mit Typen der durch den betreffenden Namen bezeichneten Schriftart selbst gesetzt):

Tabelle

Es folgen dann der Größe nach: Tertia (16), Text (20), Doppelcicero (24), Doppelmittel (28), kleine Kanon (32–36), grobe Kanon (40–48), kleine Missal (52), grobe Missal (64), kleine Sabon (72), grobe Sabon (84), Real (96) und Imperial (108 Punkte). Die Namen über grobe Kanon hinaus sind teils schwankend in bezug auf die Größe, teils ganz in Wegfall gekommen; man bezeichnet diese großen S. alsdann nach der Zahl der Cicero, die sie enthalten. In Frankreich bedient man sich fast ausschließlich nur noch der Punktbezeichnung (corps 3; corps 4 etc.); dort waren die hauptsächlichsten Benennungen: Diamant (3), Sédanoise (4), Parisienne (5), Nonpareille (6), Mignonne (7), Petit-texte (71/2), Gaillarde (8), Petit-romain (9), Philosophie (10), Cicéro (11), Saint-Augustin (12 u. 13), Gros-texte (14), Gros-romain (15 u. 16) etc. In England geschieht die Bezeichnung der Schriften nur durch Namen: Diamond, Pearl, Ruby, Nonpareil, Emerald, Minion, Brevier, Bourgeois, Long Primer, Small Pica, Pica, English, Great Primer, Paragon etc. Die Namen der Zier- und Titelschriften sind in Frankreich und England[40] von den in Deutschland üblichen ganz abweichend, indes ebensowenig an Regeln gebunden. Vgl. »Druckschriften des 15. bis 18. Jahrhunderts in getreuen Nachbildungen«, herausgegeben von der Direktion der Reichsdruckerei (Berl. 1884–87); Goebel, Die graphischen Künste der Gegenwart (Stuttg. 1895, neue Folge 1902); Faulmann, Buch der Schrift (Alphabete des gesamten Erdkreises, 2. Aufl., Wien 1880); F. Ballhorn, Alphabete orientalischer und okzidentalischer Sprachen (14. Aufl., Würzb. 1894; neuer Abdruck 1906); Petzendorfer, Schriftenatlas (2. Aufl., Stuttg. 1893; neue Folge 1905), und Literatur bei Artikel »Schrift«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 40-41.
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