Vogelsberg

[212] Vogelsberg (Vogelsgebirge), basaltisches Massengebirge Mitteldeutschlands, das durch das Kinzigtal vom Spessart, durch das Fuldatal von der Rhön geschieden wird, nur in dem sogen. Landrücken (zwischen Schlüchtern und Flieden) mit der letztern zusammenhängt, im N. an das hessische Bergland grenzt und im W. durch das Lahntal und die Wetterau von dem Rheinischen Schiefergebirge und dem Taunus getrennt wird. Es hat einen Durchmesser von 45–50 km und bildet eine flach gewölbte Bergfeste mit sanftem Ansteigen vom Rande zum sogen. Oberwald, um den die Orte Herbstein, Ulrichstein und Schotten in geringer Entfernung liegen. Der Oberwald ist ein unbewohntes, mit Laubwald, feuchten Wiesen und Torfgründen bedecktes Plateau, über dessen Rand sich die höchsten Höhen, zum Teil Felskuppen, um etwa 100 m erheben. Diese sind: der Taufstein (772 m), Sieben Ahorn (696 m), die Herchenhainer Höhe (732 m), der Hoherodskopf (mit einem Schutzhaus) etc. Am Oberwald entspringen die zahlreichen Bäche, die das Gebirge nach allen Himmelsgegenden strahlenförmig aussendet und die im S. zur Kinzig, im SW. und W. zum Main, im NW. zur Lahn, im N. zur Eder und im NO. und O. zur Fulda gehen. Andre Täler setzen ebenso strahlig zwischen ihnen ein, so daß das ganze Gebirge aus einem System sehr regelmäßig strahlenförmig verlaufender Rücken besteht. Der eigentliche V. besteht durchweg aus verschiedenen Basaltvarietäten, darunter auch trachytähnlichen Doleriten (sogen. Trachydoleriten), die nach der Peripherie hin mit Tuffen und tertiären Sedimenten, unter diesen auch Braunkohlen und Polierschiefer, wechsel lagern. Als Seltenheit erscheint im SW. auch Phonolith. Am Rande des Vogelsberges tritt unter dem Basalt im W. und N.tertiäres Braunkohlengebirge, Muschelkalk und Buntsandstein hervor, im NO., O., S. und SW. außer diesen auch Zechstein und Rotliegendes, ganz lokal im O. bei Angersbach auch Keuper und Lias. Nutzbare Mineralien sind, außer den bereits erwähnten Braunkohlen und Polierschiefern, die aus dem Basalt durch Verwitterung hervorgegangenen Beauxite und Basalteisensteine, die früher an verschiedenen Orten gewonnen wurden und zur Anlage von Eisenhütten (Hirzenhain, Friedrichshütte) Veranlassung gegeben hatten. Das Klima ist rauh und kalt, wenn auch nicht in dem Maße, wie Sprichwörter es anzudeuten scheinen. Der Winter bringt hier, wie in der Rhön, gewaltige Schneemassen. Der alkalireiche Boden des verwitterten Basalts ist fruchtbar, daher sind viele Rücken mit Laub-, insbes. Buchenwald bedeckt; in den untern Talgründen und an den sanftern Gehängen findet ergiebiger Ackerbau statt, und die ausgedehnten Wiesen und Weiden eignen sich zur Zucht von Rindvieh und Schafen. In den höhern Teilen des Vogelsberges, wo fast nur Viehzucht und Bau von Sommergetreide betrieben werden, herrscht viel Armut. Die Industrie erstreckt sich auf Weberei, Strohflechterei, etwas Braunkohlenbergbau u. Eisenindustrie. Fremde besuchten das Gebirge bisher nur wenig. Neuerdings sucht indessen der Vogelsberger Höhenklub die Aufmerksamkeit der Touristen mehr auf jene Gegend zu lenken. Der V. liegt mit seinem Hauptteil in der hessischen Provinz Oberhessen, und nur Ausläufer desselben treten östlich und südöstlich (Büdinger Wald nördlich von Gelnhausen) in die preußische Provinz Hessen-Nassau über. Vgl. die Führer durch den V. von Buchner (Gieß. 1888) und Roeschen (das. 1904); Weber, Die Landwirtschaft im V. (Frankf. 1894); Spilger, Flora und Vegetation des Vogelsberges (Gieß. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 212.
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