Gesichtsschmerz

[298] Gesichtsschmerz (Prosopalgia, Neuralgia nervi trigemini, Tic douloureux, Dolor faciei Fothergillii), ein den älteren Ärzten schon bekanntes, von; John Fothergill (st. 1780) aber zuerst genau beschriebenes u. als besondere Krankheit hervorgehobenes Übel, welches sich durch heftige nervöse od. scheinbar rheumatische Schmerzen in den Weichtheilen des Antlitzes (im Gebiete des fünften Nervenpaares) in der Regel halbseitig äußert, Der G. macht deutliche Pausen von unbestimmter Dauer, tritt sehr plötzlich ein, hört eben so schnell wieder auf, wird aber bisweilen durch Gemüthsbewegungen, Sprechen, Lachen, Kauen od. Berührung der Theile (beim Rasiren etc.) hervorgerufen. Der Schmerz ist bald auf der Stirn, vor dem Ohr auf der Wange, bald unter dem Auge, in Mund-, Gaumen- u. Nasenhöhle, im Auge selbst, am Kinn, in den Zähnen etc. Der Schmerz befällt fast immer nur eine Seite u. ist sehr reißend, bohrend, zum Theil selbst den elektrischen Schlägen ähnlich; zuweilen begleiten den Anfall Zeichen von Gefäßaufregung im Gesicht, in der Regel aber findet sich mehr ein krankhafter Zustand im Körper ausgesprochen, mit trockener, kühler Haut u. kleinem, zusammengezogenem Pulse, Zittern u. anderen Zeichen nervöser Aufregung. Die Dauer des Anfalles beträgt bisweilen nur Minuten, bisweilen aber auch Stunden, doch letztere Anfälle sind von geringerer Schmerzhaftigkeit; bisweilen geht der ganzen Krankheit ein Spannen, Jucken od. Brennen der befallenen Theile voraus. Die Hauptsitze des Schmerzes, die sogenannten Schmerzpünktchen, finden sich hauptsächlich über od. unter dem Auge od. am Kinn, wo die drei Hauptäste des Nerven ins Gesicht treten. Der G. kommt selten vor den höheren Lebensjahren vor u. scheint in vielen Fällen ganz rheumatischen Ursprungs zu sein, in anderen dagegen auf einem Nervenleiden, bisweilen auf Entzündung der Nerven, auf Druck benachbarter Geschwülste, Knochenauftreibungen etc. zu beruhen; in manchen Fällen hängt er von Hirnaffectionen ab (central) u. erscheint an der der kranken Hirnseite entgegengesetzten Körperhälfte. Die Heilung ist bei frischen Fällen eher zu erwarten als bei veralteten Übeln. Durch lange Dauer führt der G. zu Melancholie, Verzweiflung, Zuckungen u. wirklichen Geisteskrankheiten. Bei Behandlung dienen bald Blutegel, kalte od. trockene warme Umschläge, Bähungen, endermatische Anwendung von Morphium, Veratrin, Belladonna, Stechapfelpräparate, Waschungen mit Sublimat, kräftige Hautreize bis zu Moxen u. zum Glüheisen, Kaltwassercur, Moschus, Bibergeil, Valeriana, das baldriansaure Zink; bei taktmäßig in Zeitabschnitten intermittirendem G. China u. ihre Alkaloide, bei Anämie Stahlmittel. Vgl. Hutchinson, Cases of neuralgia spasmodica, Lond. 1822; Barth, Beobachtungen über den G., Lpz. 1825; Gadechers, Nervi facialis physiologia et pathologia, Heidelb. 1832; Scott, Cases of Tic douloureux, Lond. 1834; Hunt, On the nature and treatment of Tic doul., Lond. 1844.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 298.
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