Locke [2]

[459] Locke (spr. Lock), John, englischer Philosoph, geb. 29. Aug. 1632 zu Wrington bei Bristol in der englischen Grafschaft Somerset; studirte seit 1651 in dem Christuscollegium zu Oxford, bes. klassische Literatur u. Philosophie, ging 1664 mit einem englischen Gesandten nach Berlin, übernahm 1665 eine Zeit lang die Erziehung des nachherigen Grafen von Shaftesbury u. begleitete 1668 den Grafen von Northumberland auf einer Reise nach Frankreich. Nachdem Shaftesbury Großkanzler geworden war, erhielt L. eine politische Anstellung, welche er aber verlor, als derselbe 1673 in Ungnade fiel; 1677–79 lebte er seiner Gesundheit wegen in Montpellier u. Paris, begleitete 1683 seinen Gönner, welcher abermals in Ungnade gefallen war, nach Holland u. ließ sich in Amsterdam nieder; 1684 wurde er von England aus beschuldigt, in Holland Pasquille gegen die englische Regierung in Druck gegeben zu haben, verlor deshalb seine Stelle im Christuscollegium, u. König Jakob II. verlangte sogar, als L. in das gegen die Regierung gerichtete Unternehmen des Herzogs von Monmouth verwickelt worden war, von den Generalstaaten die Auslieferung L-s. Nach der Entthronung Jakobs II. kehrte er 1689 nach England zurück u. erhielt die Stelle eines Commissärs des Handels u. der Colonien; 1700 legte er diese Stelle nieder u. lebte nun meist auf dem Lande zu Oates in der Grafschaft Essex, wo er 28. Oct. 1704 starb. In seiner Philosophie trat er bes. der zu seiner Zeit herrschenden Speculation entgegen. Eigentlich aber umging er in seiner Methode zu philosophiren mehr die Schwierigkeiten der Erkenntniß, als daß er sie beseitigt hätte. Er ging nämlich zunächst darauf aus, den empirischen Ursprung aller Vorstellungen durch Induction zu beweisen. Nach ihm sind Empfindungen durch äußere Sinne u. Reflexion, als Wahrnehmung der Thätigkeit der Seele, die beiden ursprünglichen Quellen aller Vorstellungen; die Seele empfange sie wie eine unbeschriebene Tafel. Während nun L. die Philosophie von eitler Disputirsucht u. leeren Spitzfindigkeiten zu befreien suchte, schwächte er durch die Bequemlichkeit seiner Methode gründliches Forschen u. leistete durch die Richtung, welche er der Philosophie gab, dem Materialismus u. flachen Eklekticismus großen Vorschub. In der Moral leitete ihn sein empirischer Grundsatz auf Endämonismus. Erschr.: Essai concerning human understanding, Lond. 1690, Fol. u. ö., zuletzt ebd. 1812, 2 Bde. (in fast alle Sprachen übersetzt, deutsch von Polen, Altenb. 1757, von Titel, Manh. 1791, von Tennemann, Lpz. 1796, 3 Bde.); Thoughts on education, Lond. 1693 u. ö. (deutsch von Rudolphi, Braunschw. 1788); Posthumous works, Lond. 1706; Nachtrag: Collection of several pieces, ebd. 1720; Sämmtliche Werke (ohne die Collection) englisch Lond. 1714, 3 Bde., Fol., u. ö., neueste Ausgabe ebd. 1812, 10 Bde. Lord King, ein Nachkomme seiner Schwester, gab L-s Leben heraus, Lond. 1829. Vgl. E. Schärer, John L., Lpz. 1860.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 459.
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