Municipĭum

[537] Municipĭum (röm. Ant.), überhaupt Stadt in Italien, welche zum Römischen Reiche gehörte. a) In der ältesten Zeit war ein M. eine Stadt Italiens, welche mit Rom im engen Bundesverhältniß stand, u. deren Bürger, wenn sie nach Rom zogen, hier Vollbürger wurden (s. Civitas); solche alte Municipien waren Cumä, Formiä, Lanuvium, Tusculum etc. b) Seit dem Latinischen Kriege, 338 v. Chr., hießen Municipia alle italische Städte, welche die Civität erhielten u. Rom einverleibt wurden. Ihre Verhältnisse waren verschieden: entweder behielten sie ihre frühere Verfassung, wie Cumä, Atella etc., od. verloren dieselbe, wurden ganzlich römische Unterthanen u. erhielten römische Magistrate, wie Aricia, Capua; die einen erhielten volles Bürgerrecht, M. cum suffragio, sie gehörten zu einer Tribus in Rom, unterlagen hier dem Census, dienten in den Legionen, hatten Stimm- u. Ehrenrechte, behielten aber ihren Nationalcultus; die andern erhielten das Stimmrecht nicht, wenigstens Anfangs nicht, M. sine suffragio, ihre Bürger konnten aber militärische Ehrenstellen erhalten. c) Seit der Lex Julia, 90 v. Chr., wurden alle Städte Italiens, namentlich die föderirten u. Colonien, zu Municipien erhoben, u. M. hieß nun jede römische Landstadt. Um eine Einheit in das Ganze u. eine Gleichförmigkeit in die innere Verfassung zu bringen, gab Jul. Cäsar 45 v. Chr. die Municipales lex, wodurch die Municipien ihre Unabhängigkeit erhielten. Cäsar erhob auch zuerst eine Provinzialstadt, Gades in Spanien, zum M., worin ihm die späteren Kaiser mehrfach folgten, bis endlich Caracalla alle Städte des Römischen Reiches zu Municipien machte, nur die selbständige Rechtspflege wurde ihnen gemeiniglich vorenthalten. Die Bürger eines M. hießen Municĭpes, im Gegensatz zu den bloßen Insassen, Incolae; entsprechend den drei Ständen in Rom waren in den Municipien: Decuriones (Senatoren), Augustales (Ritter) u. Plebeji. Nur die Municipes versammelten sich in den Comitien u. waren zu den Magistraten wählbar. Die obersten an der Spitze des Gemeinwesens, den römischen Consuln entsprechenden Magistrate waren die aus den Decurionen gewählten Duumviri (D. juri dicundo), später Quatuorviri; sie führten zur Zeit des Kaisers Constantin des Großen den Titel: Perfectissimi, s. Duumviri a). Praefecti juri dicundo hießen sie, wenn sie von der Staatsbehörde ernannte waren. Außerdem gab es auch Censoren (Quinquennales), Ädilen u. Quästoren (Arcarii). Diese waren Ehrenämter, Honores; die niederen Beamtungen hießen Munera od. Curationes. Gegen das Ende des 4. Jahrh. kommt noch als ein höherer Magistrat der Defensor civitatis od. D. reipublicae (Staatsanwalt) vor; er wurde aus den vornehmsten Bürgern gewählt u. hatte die Gemeinde gegen die Willkür der Behörden zu schützen. Unter den Kaisern, namentlich den desseren, welche die Municipien sich frei entwickeln ließen, kamen diese zu hoher Blüthe u. bildeten den Kern des Reiches; als aber die Despotie begann u. bes. ein unerträglicher Steuerdruck auf sie geladen wurde, welcher vornehmlich die Decurionen traf, verarmten u. verfielen die Municipien. Vgl. Roth, De re municipali Rom., Stuttg. 1801.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 537.
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