Notker

[141] Notker, Name von fünf verdienten u. berühmt gewordenen Mönchen in St. Gallen, welche von späteren Schriftstellern nicht selten verwechselt worden sind: 1) St. N. (N. Balbulus), gestorben als Vorstand der Klosterschule in St. Gallen 912, besaß außer einer gründlichen Kenntniß der Bibel u. der Theologischen Literatur auch die der Musik u. Poesie u. galt für einen der größten Gelehrten seiner Zeit. Nachhaltig wirkende Bedeutung erhielten namentlich seine Bemühungen um den Kirchengesang, in welchem er die sogenannten Prosen ed. Sequenzen (s.d.) einführte. Außer gegen 50 dieser Texte (gesammelt in 1 Bd. von Pez' Thesaurus anecdotorum) u. mehren Hymnen (im 2. Bd. von Canisius' Lectiones antiquae) verfaßte er auch mehre theologische Schriften. 3) N. Physicus, ein Schüler des Vor., stand wegen seiner ärztlichen Kenntnisse am Hofe Otto's I. in besonderer Achtung u. wird auch als Musiker, Maler u. Schreibkünstler gerühmt. 3) N. der Abt (Abbas), ein Neffe des Vorigen, war vier Jahre Abt des Klosters St. Gallen u. begründete hier eine sehr erfolgreich wirkende Schule für die Söhne seiner Ministerialen. 4) N. der Propst, erst in St. Gallen, dann 972–1008 Bischof von Lüttich; er schr. u.a. das Leben des St. Remaclus. 5) N. Labeo od. Teutonicus, zeichnete sich durch umfassende Gelehrsamkeit aus, war in den Griechischen u. Römischen Klassikern ebenso bewandert, wie in der Bibel u. der Theologischen Literatur u. war zugleich auch Dichter, Maler, Arzt, Astronom u. Mathematiker. Unter seiner Leitung erreichte die St. Gallener Klosterschule ihre höchste Blüthe. N. st. 22. Juni 1002 an der Pest im Alter von 70 Jahren. Für die Zwecke des Unterrichts verfaßte er, zum Theil in Gemeinschaft mit Freunden u. gereifteren Schülern, eine Reihe von Übersetzungen u. Erläuterungsschriften in deutscher Prosa, welche zu den wichtigsten Denkmalen der Althochdeutschen Sprache gehören. Erhalten haben sich die Psalmen, die Kategorien des Aristoteles u. dessen Abhandlung Περὶ ἑρμηνείας, des Boethius' Schrift De consolatione philosophiae, die zwei ersten Bücher des Martia aus Capella, die Abhandlungen De octo tonis u. De syllogismis u. ein kleines Lehrbuch der Rhetorik. Verloren gegangen sind die Erklärung des Hiob, eines seiner bedeutendsten Werke; ferner Boethius' De trinitate, Gregor's Moralia in Hiob, Cato's Disticha u. Virgils Bucolica, die Andria des Terenz, die Principia arithmeticae.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 141.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: