Ministerial

[298] Ministerial (v. lat. Ministerialis, Dienstmann), im frühen Mittelalter jede Person, welche einem Herren zu irgend einer Dienstleistung verpflichtet ist. In der ältesten Zeit hießen so bes. diejenigen Unfreien, welche zur Verrichtung der häuslichen Dienste gebraucht wurden, im Gegensatz zu den gewöhnlichen, minder geachteten Ackerknechten, in der Karolingischen Zeit sämmtliche Beamte, sowohl die höchsten, als die niedrigsten, vorzugsweise solche Personen, denen die Leitung bestimmter Zweige der königlichen Hofhaltung auf den einzelnen Pfalzen u. Höfen od. in ähnlicher Weise an den Höfen eines geistlichen od. weltlichen Fürsten oblag, also Hofbeamte, welche wieder andere, im Allgemeinen auch noch M. genannte Diener unter sich hatten. Die M-en gehörten daher mit zum Gefolge, blieben aber, als sich die Gesellschaft durch das Benesicialwesen in das Lehnsverhältniß umwandelte, im Gegensatze der Vasallen ganz in der Stellung der früheren Gefolgesleute, so daß sie neben der allgemeinen Verpflichtung zum Waffendienst namentlich einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt bei Hofe, Bekleidung u. Ausrüstung durch den Herrn hatten, woneben indessen auch ihnen noch die Belehnung mit Dienstgütern zu Theil wurde. Aus diesem Begriffe der Ministerialität entwickelten sich dann die Hofämter, von denen die meisten, wie das Amt des Seneschalls od. Truchseß (Major Domus, Dapifer) als obersten Aufsehers über die sämmtlichen M-en u. Verwalter der Domänen, das Amt[298] des Marschalls (Marescalcus) als des Aufsehers über die Stallungen, des Schenken (Pincerna, Butellarius) als Beamten für Erhebung u. Verwaltung der Naturalgefälle u. des Kämmerers (Camerarius, Cubicularius) als Verwalters der Geldgefälle bis auf die früheste Zeit sich verfolgen lassen. Bei den kleineren Herren wurden die Verwalter dieser Ämter auch später noch vielfach aus den Unfreien genommen; bei Fürsten übernahmen aber auch freie Personen dieselben, zumal mit diesen Stellen sich ein gewisser Einfluß bei dem Heere u. somit auch auf die öffentlichen Angelegenheiten verband. Als eine Folge aus der Mischung freier u. unfreier Elemente in der Ministerialität erklärt es sich, daß fortdauernd bei M. im Allgemeinen manche Rechtsgrundsätze angewendet wurden, welche ursprünglich nur bei Unfreien Geltung hatten, so hatte der Herr in Capitalsachen die M-en, wie andere unfreie Diener, vor dem Landgerichte zu vertreten, während er hinsichtlich der geringeren Vergehen selbst das Züchtigungsrecht ausübte. Seit dem 14. Jahrh. verschwindet aber der Stand der M-en als eigene Standesklasse, was sich daraus erklärt, daß die meisten Dienstleute Ritterlehn erhalten hatten u. dieser ritterliche Charakter ihrer ferneren Gleichstellung mit dem Unfreien widerstrebte. Vgl. Fürth, Die M-en, Köln 1836.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 298-299.
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