Redcliffe

[902] Redcliffe, Sir Stratford Canning, seit 1852 Viscount Stratford de Redcliffe, Sohn eines Kaufmanns in London u. Geschwisterkind George Cannings (s.d. 1), bezog 1796 die Schule in Eton, studirte dann in Cambridge u. widmete sich der diplomatischen Laufbahn. Schon 1807 wurde er Privatsecretär seines Vetters George u. begleitete in demselben Jahre den englischen Gesandten Merry als Secretär nach Kopenhagen u. 1808 den englischen Gesandten Adair nach Constantinopel, wurde hier im April 1810 Gesandschaftssecretär u. in demselben Jahre noch an Adair's Stelle bevollmächtigter Minister bei der Pforte; 1812 kehrte er nach London zurück u. widmete sich hier wieder den klassischen Studien. 1814 als Gesandter in die Schweiz geschickt, war er bei dem Bündniß der 19 Cantone thätig u. ging von da auf den Wiener Congreß. Nachdem er 1820 Geheimrath geworden war, ging er als bevollmächtigter Minister bei den Vereinigten Staaten von Nordamerika nach Washington, erntete indeß von seiner Thätigkeit daselbst keine Früchte, da der Vertrag über die damals zwischen den Staaten u. England schwebenden Streitfragen, welchen er im Novbr. 1823 geschlossen hatte, nicht vollzogen wurde. 1824 war er als außerordentlicher Gesandter in Petersburg, um dem dortigen Hofe auf Grund des Vertrages von Chaumont die Maßregeln mitzutheilen, welche im Bezug auf die Griechischen Angelegenheiten ergriffen werden sollten. Im Febr. 1826 folgte er an Lord Strangfords Stelle als außerordentlicher Gesandter in Constantinopel u. wirkte hier sehr thätig für die Beilegung des Streites zwischen der Türkei u. Griechenland. Da indeß die Pforte die gemachten Vorschläge hartnäckig verweigerte, so verließ R. Ende 1827 Constantinopel u. kehrte nach einem längeren Aufenthalte in Korfu u. nachdem er 1828 nochmals als außerordentlicher Gesandter am griechischen Hofe gewesen war, auch für die Grenzen dieses Reiches auf den Conferenzen in Paris Vorschläge gemacht hatte, nach England zurück. Erst im Octbr. 1831 wurde er nochmals zum außerordentlichen Gesandten in Constantinopel ernannt, wo et wiederum an den Verhandlungen über die Regulirung der Grenzen Griechenlands thätigen Antheil nahm u. seine Bestrebungen auf diesem Felde durch den Londoner Vertrag vom 7. Mai 1832, in Folge dessen der Prinz Otto von Baiern König von Griechenland wurde, u. durch den vom 21. Juli desselber Jahres, in welchem die Türkei den neuen Staat anerkannte, endlich mit Erfolg gekrönt sah. Er wurde darauf nach England zurückgerufen. Von hier ging er 1832 als außerordentlicher Gesandter nach Spanien u. war 1833–34 in derselben Eigenschaft in Petersburg. 1841 wurde er wieder Gesandter in Constantinopel; seine Thätigkeit daselbst wurde unterbrochen durch eine Reise nach England im Jul 1846, um von hier aus 1847 in Paris die Angelegenheiten der Schweiz mit zu regeln. Am 24. April 1852 wurde er als Viscount R. zum Lord ernannt u. in die englische Peerage erhoben. In Constantinopel hatte er sich sehr der Reform des Staatswesens angenommen u. wirkte auf das Entschiedenste in der Orientalischen Frage für die Erhaltung u. Selbständigkeit der Türkei; bei der ernsten Verwickelung der Dinge, welche sich in den Krieg mit [902] Rußland auflöste, war er gerade von Constantinopel abwesend. Ende 1857 reiste R., welcher durch den überwiegenden Einfluß, den er England bei der Pforte verschafft hatte, den Franzosen längst unbequem geworden war, von Constantinopel ab u. im Juli 1858 erhielt er in Sir Henry Lytton Bulwer definitiv einen Nachfolger. Seitdem nach England zurückgekehrt, hat R. seinen Sitz im Oberhaus eingenommen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 902-903.
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