Schröpfen

[439] Schröpfen, 1) (Scarificatio), Art des örtlichen Blutlassens; man unterscheidet: a) das blutige S., wo, nachdem entweder mit einer Lanzette od. dem Schröpfeisen Einschnitte in die äußere Haut gemacht worden sind, das Blut durch Aufsetzen des Schröpfkopfes (s.d.) ausgezogen wird. Man braucht dazu außerdem eine Anzahl Schröpfköpfe, warmes Wasser, eine mit einem langen Halseversehene, bes. hierzu gefertigte, brennende Talg-, Öl- od. Weingeistlampe u. einen Waschschwamm. Der zu schröpfende Theil wird entblößt, wo nöthig von Haaren befreit u. mit warmem Wasser abgewaschen; darauf ein trockner Schröpfkopf gesetzt, nachdem derselbe über die brennende Lampe eine kurze Zeit lang gehalten worden ist, um die in ihm befindliche Luft zu verdünnen u. auszutreiben; hierdurch wird die unter demselben befindliche Haut in die Höhe gezogen u. mit Blut überfüllt; einige Zeit nachher wird der Schröpfkopf wieder abgenommen u. die nun geröthete Stelle entweder mit der Lanzette, od. dem Bistouri, od. mit dem Schröpfeisen (s.d.) eingeritzt. Meist setzt man es zwei Mal auf u. zwar so, daß die zweiten Einschnitte die ersten durchschneiden; dann wird der Schröpfkopf abermals aufgesetzt, welcher sich nun allmälig mit Blut füllt; er wird öfters abgenommen u. so oft wieder applicirt, bis aus den Einschnitten kein Blut mehr dringt. Die am gewöhnlichsten zum S. benutzten Hautstellen sind auf den Backen, hinter den Ohren, im Nacken, auf den Ober- u. Vorderarmen, dem Rücken, dem Kreuze, den Oberschenkeln, den Waden u. dem Fußrücken. Am meisten wendet man das S. bei örtlicher Vollblütigkeit, bei Congestionen, bei Entzündungen äußerer Theile, Rheumatismen, bei chronischen Hautkrankheiten an, wohl auch in anderen Fällen statt der Blutegel. b) Das trockne S., wobei die Schröpfköpfe so aufgesetzt werden, daß die Haut nicht verwundet wird; es bewährt sich namentlich da, wo eine Ableitung des Blutes von inneren Organen nach der Hautoberfläche, od. nach anderen Theilen, z.B. zur Beförderung der unterdrückten Katamenien, bezweckt wird. Die Zahl der zu setzenden, blutigen Schröpfköpfe richtet sich je nach dem einzelnen Fall; gewöhnlich rechnet man, daß durch einen Schröpfkopf eine Unze Blut entleert wird, so daß man bei kräftigen, vollblütigen Subjecten bei bedeutendem Andrang des Blutes nach einem Theile in der Regel 12–16, wohl auch noch mehr Schröpfköpfe aufsetzt. Das S. macht nicht den allgemeinen Eindruck, als wenn durch einen Aderlaß eine gleiche Quantität entleert würde. 2) Die Blätter des zu üppig aufgewachsenen Getreides, bes. des Weizens, im Frühjahr, wenn es noch nicht geschoßt hat, mit der Sense od. Sichel, ohne das Herz der Pflanzen zu berühren, abschneiden, um das Lagern zu verhüten. Das S. darf nur bei Süd- u. Westwind, bei trocknem u. warmem Wetter, u. nicht ohne Noth geschehen. Die abgeschnittenen Blätter sind ein gutes Viehfutter. 3) Einschnitte od. Ritze in die Rinde der Obstbäume zu Verhütung des Brandes, Beförderung des Wachsthums u. der Fruchtbarkeit machen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 439.
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