Türr

[79] Türr, Stephan, geb. 1815 in Ungarn, trat in die österreichische Armee, war 1848 Feldwebel im Infanterieregiment Erzherzog Franz Karl, welches unter Radetzky in Italien kämpfte, nahm am Sturm des Monte-Boscone bei Custozza Theil, wurde im November 1848 Lieutenant, desertirte 19. Januar 1849 in Buffalore am Ticino, wo sein Regiment die Grenzwacht gegen Piemont hatte, lebte dann als Flüchtling in England, später in der Türkei, trat beim Ausbruch des Krimfeldzugs in englische Dienste u. wurde als Obrist bei der Englisch-türkischen Legion angestellt. Als solcher ging[79] er im Auftrag der englischen Regierung, um Pferde für die Krimarmee einzukaufen, im Herbst 1855 nach Bucharest, welches damals von den Österreichern besetzt war, wurde dort von denselben verhaftet, nach Wien gebracht u. vom Militärgericht als Deserteur zum Tode verurtheilt, aber durch persönliche Verwendung der Königin Victoria von England bei dem Kaiser Franz Joseph gerettet im Januar 1856 freigelassen. Er kehrte nach der Türkei zurück, unterstützte die Freiheitsbestrebungen der Tscherkessen gegen Rußland u. trat in das zu diesem Zweck von Engländern u. Flüchtlingen in Constantinopel gebildete Comité, welches eine Expedition in den Kaukasus vorbereitete. Bei Ausbruch des Italienischen Feldzugs von 1859 ging er nach Genua, trat dort unter die Garibaldischen Alpenjäger, erhielt das Commando eines Bataillons derselben u. focht an der Spitze desselben; schloß sich im Mai 1860 dem Zug Garibaldi's nach Sicilien als Obrist u. Adjutant an, nahm an den Kämpfen bis zur Einnahme von Palermo Theil u. wurde von Garibaldi zum General u. Commandant der gegen Messina bestimmten Division ernannt, verließ aber in Folge seiner Wunden bald darauf Sicilien. Er lebte darauf als General in Turin, spielte dann eine hervorragende Rolle bei der Actionspartei u. trat in ein intimes Verhältniß zum König Victor Emanuel, welcher ihn u.a. auch 1862 zu einer geheimen Mission an den Fürsten Cusa gebrauchte. 1863 wurde er von seinen eigenen Landsleuten, namentlich vom ungarischen Obersten Krivacsy, in einer Brochure wegen seines standeswidrigen Verhaltens, öffentlich angeklagt, u. die ihm gemachten Vorwürfe waren so gravirender Art, daß der Kriegsminister ihn suspendiren u. eine Untersuchung über ihn verhängen mußte. Um während der Zeit des Processes nicht in Turin anwesend zu sein, ging er einstweilen nach Paris.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 79-80.
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