Tigris [2]

[596] Tigris, 1) (in der Bibel Hhiddekel), einer der größten Ströme Vorderasiens, entsprang nach der gewöhnlichen Ansicht auf dem Gebirg Niphates in Armenien; eigentlich hatte er mehre Quellen; die beiden westlichern Hauptquellen lagen in Sophene, u. zwar südöstlich von Arsamosata u. nordöstlich von den Fällen des Euphrat, von denen der östlichere den Nymphios bildete. Dieser westliche Hauptarm vereinigte sich erst nach einem Laufe von 35 geogr. Meilen mit dem östlichen auf dem Niphates entspringenden Hauptarm bei Tigranokerta. Der letztere hieß im ersten Laufe Diglitho (noch j. Diglet), ging durch den See Arethusa, ohne sein Wasser mit demselben zu vermischen, verlor sich bei Zoroanda unter einer Kette des Taurus, ging nach seinem Wiederhervorbrechen durch den See Thospitis, floß dann wieder 25 Meilen unterirdisch u. kam bei Nymphäon zu Tage; bei seinem fernern südöstlichen Laufe bildete er die Grenze von Mesopotamien u. Assyrien, mit dem nahen Euphrat durch Kanäle verbunden; er entfernte sich dann wieder von letzterem, vereinigte sich aber zuletzt mit diesem bei Digba u. mündete, in seinem letzten Laufe, von der heutigen Stadt Basra an, den Namen Pasitigris (s. jedoch d.) führend, mit ihm in den Persischen Meerbusen. Welcher von beiden nach der Vereinigung der Hauptstrom sei u. ob er T. od. Euphrat heiße, darüber waren die Meinungen der Alten getheilt. Der T. war ein sehr reißender, wasser- u. fischreicher Strom; von der Stadt Opis an bis zur Mündung waren viele Dämme angelegt, theils um die Gewalt des Stromes einzuhalten u. verheerende Überschwemmungen zu verhindern, theils um das Wasser in die anliegenden Gefilde zur Bewässerung zu leiten, welche aber Alexander der Große zur Beförderung der Schifffahrt, welche schon von Opis, bes. aber von Seleukia begann, durchstechen ließ. Seine Nebenflüsse auf dem östlichen Ufer waren: Nikephorios, Lykos, Physkos, Gorgos (Sillas, Delas, Duros). 2) (Diglet, d.i. der Pfeil), Fluß in Vorderasien, welcher mit dem Euphrat das altberühmte Culturland Mesopotamien umschließt. Er entspringt auf einer Landenge zwischen dem östlichsten Punkte des Euphrat u. dem See Göldschik (in Kurdistan). Durch Zufluß vieler kleinen Flüsse schon wasserreich, nimmt der T. bei seinem Austritt aus dem Gebirge in die Ebene von Diarbekr zunächst den Sebbeneh-Su, dann den Hasrn-, den Batman-Su (Nymphäus) u. den Irsidhane (Erzen) auf u. wird schiffbar. Nachdem er den Dschebel Tor durchbrochen, eine Menge Schnellen u. Strudel gebildet u. den Buhtan u. Khabur (Pischabur) aufgenommen hat, tritt er in die Ebene u. nimmt nun ununterbrochen seinen Lauf durch Tiefland. Als Zuflüsse im mittleren Laufe münden der Zab-Ale (obere Zab), Zab-Asfal (untere Zab), Adhäm u. Dijala (Nahrawan). In seiner Richtung wechselnd hat sich der T. bei Bagdad dem Euphrat bedeutend genähert, dann wieder entfernt, dem Euphrat in mehren Kanälen (Schatt-el-Hai, Schattel-Amah, Bu-Ji-Heirat u.a.) Wasser zugesendet u. führt in seinem untersten Laufe den Namen Ammara.[596] Nach einem Laufe von 190 Meilen nimmt der Fluß bei der Vereinigung mit dem Euphrat den Namen Schatt-el-Arab an u. mündet nach einem Laufe von 30 Meilen in zwei Hauptarmen, von denen der westliche den Namen Schatt-el-Arab behält, der östliche aber Baramschir genannt wird, in den Persischen Meerbusen. Auf diesem Unterlaufe geht dem Flusse noch von Osten her der Kercha (Suab) u. der Kurun zu. Bei der Vereinigung ist der T. viel wasserreicher u. auch reißender als der Euphrat. Der vereinigte Fluß ist bei einer Breite von 1800 u. einer Tiefe von 20 Fuß schon für große Schiffe fahrbar.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 596-597.
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