Toggenburg [1]

[659] Toggenburg, 1) früher Grafschaft im jetzigen Schweizercanton St. Gallen, von 12 QM. mit 50,000 Ew. Von den frühern Grafen, deren Stammschloß Alt-T. bei Fischingen im Bezirk Tobel des Cantons Thurgau jetzt in Ruinen liegt, ist bes. bekannt Diethelm der Brudermörder, dieser ermordete seinen Bruder Friedrich 1226 auf dem Schlosse Reingerswil u. wurde deshalb vom Bischof von Constanz in den Bann gethan u. die Grafschaft von seinen Eltern dem Kloster St. Gallen geschenkt; auch Diethelms übrige Besitzungen wußte der Abt von St. Gallen nach u. nach an sich zu ziehen. Wegen des Brudermordes lebte Graf Diethelm als Scheusal lange im Volksliede fort. Die Grafen starben 1436 aus, u. über den Besitz ihrer Güter entstand der Toggenburger Krieg zwischen den Eidgenossen, s. Schweiz S. 638; nach Andern sollen erst die Erben der Grafen, die Freiherrn von Raron, 1468 die Grafschaft an den Abt von St. Gallen verkauft haben. Die neuen Besitzer versuchten den Bewohnern der Grafschaft, bes. nachdem sich dieselben dem Protestantismus zugewendet hatten, ihre früheren (1339 erhaltenen) Freiheiten, unter andern die, mit den Schweizern einen Bundschließen zu können, zunehmen. Dessenungeachtet wurde dieser Bund mit Glarus u. Schwyz geschlossen, wodurch T. das Recht gegeben wurde Krieg zu führen u. Frieden zu schließen, eigene Gerichtsbarkeit zu haben etc. Als die Toggenburger zu Anfang des 18. Jahrh. die Statthalter des Abtes vertrieben, entstand daraus 1712 der zweite Toggenburger Krieg, s.u. Schweiz S. 646 u. St. Gallen, welcher in einen Religionskrieg ausartete u. erst 1718 beendigt wurde. 1798 wurde T. dem Canton Linth u. 1803 dem Canton St. Gallen zugetheilt. 2) (Ober-, Unter-, Alt-, Neu-T.), vier Bezirke im Schweizercanton St. Gallen zwischen den Cantonen Appenzell u. Zürich u. den Bezirken Sargans, Uznach u. Goßau. Ober-T. hat 12,000 Ew., Unter-T. 14,000, Alt-T. 10,500 u. Neu-T. 12,150 (s.d. letztere). Das Untere tiefer liegende T. bringt Getreide, das Obere T., welches sich an dem Oberlauf der Thur nach dem Sentis u. den Churfirsten hinaufzieht, hat große Viehweiden u. Alpen u. ist vorzüglich der Sitz der St. Gallischen Mousselinstickerei u. Baumwollenweberei.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 659.
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