Voigteilehn

[649] Voigteilehn (Schutz- od. Schirmlehn, Feudum, advocati), die zu Lehn gegebene Schutz- od. Schirmgerechtigkeit über einen District, Ort od. eine Sache. Die Voigtei (Advocatia) war im Mittelalter überhaupt die Vertretung gewisser Personen rücksichtlich ihrer Rechte, mit der Schutzpflicht über sie, gegen das Recht auf bestimmte Leistungen des Schutzpflichtigen. Sie war A) weltliche Voigtei, u. zwar Erbvoigtei, indem zur Verwaltung, Regierung ganzer Districte von dem Kaiser od. Landesfürsten Voigte angestellt wurden, z.B. die kaiserlichen Landvoigte in der Schweiz u. an andern Orten (Advocati provinciae, Procuratores regni). Sie hatten aber auch manchmal nur Burgen (Burgvögte), od. Städte (Stadtvögte, Reichsschultheißen, Reichskämmerer), ja sogar noch kleinere Bezirke, bloße Dörfer inne, Sie erhielten in der Folge ihre Stellen zu Lehn, Manche von ihnen schwangen sich zur Landeshoheit empor, wie die Vögte von Plauen aus der Familie Reich in dem nach ihnen genannten Voigtland. Auch in die Reichsstädte wurden vom Kaiser Vögte gesetzt, daher Voigtei der Reichsstädte, selbst über bloße Zünfte, z.B. die Grafen von Rappoltstein über die Spielleute, die Grafen von Hohenlohe, die Freiherrn von Freyberg u. Zobel von Giebelstatt etc. über die Keßler, daher Keßlerrecht, Keßlerlehn B) Die geistliche Voigteigerechtigkeit begriff entweder alle Hoheits- u. landesherrlichen Rechte, hohe u. niedere Gerichte u. den Schutz des Stifts gegen alle Gewalttätigkeiten (Erbvoigtei, Erbschutzgerechtigkeit, Advocatia major); od. sie bestand blos darin, daß der vom Stifte Gewählte dessen Angelegenheiten besorgte u. dasselbe bei seinen Streitigkeiten vertrat, die ordentliche Voigtei (Advocatia minor); od. gar blos darin, daß er die ökonomischen Geschäfte des Stifts, die Verwaltung der Kirchengüter u. Einkünfte besorgte (Kastenvoigtei, Advocatia granaria), dann hieß er Kastenvoigt (Advocatus granarius, Praefectus redituum). Mehre Voigteigerechtigkeiten entstanden zur Zeit des Faustrechts in Deutschland dadurch, daß sich einzelne Städte, Stifte, Fürsten etc. selbst unter den Schutz Mächtigerer stellten. Ja oft bedeutet die Voigtei blos das Recht gewisse Zinsen u. Abgaben zu fordern, noch öfter die niedere od. Erbgerichtsbarkeit, im Gegensatz von den Ober- od. Blutgerichten. Die Güter, womit die Voigtgerechtigkeit verbunden war, hießen V. od. Voigteigüter.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 649.
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