Wasserglas

[898] Wasserglas, eine chemische Verbindung von Kieselsäure mit Kali od. Natron, welche sich in Betreff ihrer chemischen Zusammensetzung von dem gewöhnlichen Glase durch einen größeren Gehalt an Alkali unterscheidet, ohne jedoch mit der sogenannten Kieselfeuchtigkeit identisch zu sein, welche die Kieselsäure in noch geringerer Menge enthält. Das W. in fester Form hat das Aussehen des gewöhnlichen Glases, löst sich in kochendem Wasser vollständig auf, wird aber unlöslich bei Gegenwart von Erden u. Metalloxyden; durch andere Säuren ist es leicht zersetzbar, indem dieselben das Alkali binden u. die Kieselsäure als unlöslichen Niederschlag ausfällen; selbst die Kohlensäure bewirkt eine Abscheidung von Kieselsäure, daher die Luft vermöge ihres Gehaltes an Kohlensäure stets einen zersetzenden Einfluß auf das W. ausübt; es besitzt eine stark bindende Kraft, indem es in den unlöslichen Zustand übergeht u. zu einer steinartigen Masse erhärtet. Je nach der Art der Bereitung u. der Natur der Bestandtheile unterscheidet man vier Arten von W.: Kaliwasserglas, Natronwasserglas, Doppelwasserglas, Fixirungswasserglas. Zur Bereitung von a) Kali- u. b) Natronwasserglas schmilzt man 15 Theile Quarzsand mit 10 Theilen Pottasche od. 8 Theile calcinirte Soda u. 1 Theil Holzkohle in gewöhnlichen Glashäfen, löst die geschmolzene Masse in kochendem Wasser auf, concentrirt die Lösung durch Abdampfen u. versendet sie als sogenanntes präparirtes W. Nach einer anderen Methode, welche in einer Fabrik in Lille befolgt wild, löst man Quarz in starker Kali- od. Natronlauge in eisernen Gefäßen u. unter einem Druck von 7–8 Atmosphären auf. An die Stelle des Quarzes hat Liebig den in der Lüneburger Heide u. an manchen anderen Orten häufig auftretenden Kieselguhr od. die Infusorienerde (Kieselpanzer von Infusorien) vorgeschlagen, welche sich mit großer Leichtigkeit in den ätzenden Alkalien auflöst; sie wird zum Zweck der Zerstörung der ihr beigemengten organischen Stoffe erst geglüht, dann in kochendem Ätzkali od. Ätznatron aufgelöst u. eingedampft. Die Herstellung des Natronwasserglases aus Glaubersalz statt Soda ist trotz ihrer größeren Wohlfeilheit noch nicht allgemein geworden, c) Das Doppelwasserglas ist eine Mischung von Kali u. Natronwasserglas u. wird durch directes Zusammenschmelzen von Soda u. Pottasche mit Quarz u. Holzkohle erhalten. d) Das Fixirungswasserglas unterscheidet sich vom gewöhnlichen W. durch seinen größeren Gehalt an Alkali; man gewinnt es durch Zusatz von kohlensaurem Alkali zu gewöhnlicher Wasserglasauflösung Bereits 1818 von L. N. von Fuchs entdeckt, hat das W. erst in der neueren Zeit eine ausgedehntere Anwendung gefunden. Mit W. imprägnirtes Holz widersteht kräftig den zerstörenden Einflüssen des Feuers, des Wassers u. der Atmosphärilien; so wurde beim Neubau des Münchener Schauspielhauses 1824 das W. zuerst als schützender Überzug für die Balken u. andere leicht entzündbare Gegenstände mit Erfolg angewendet. Das W. zerlegt sich nämlich dabei unter Abscheidung von Kieselsäure, in Folge dessen das Holz mehr verkohlt als verbrennt. Kalksteine, in eine Lösung von W. getaucht, absorbiren ebenfalls Kieselsäure u. werden dadurch dichter, fester u. politurfähig; ebenso können künstliche Bausteine durch Zusammenkneten von Sand mit Wasserglaslösung hergestellt werden. Bei weitem am wichtigsten ist die Anwendung des W-es als Überzug auf Mörtelwände u. zur Herstellung von hydraulischem Mörtel; ein solcher Anstrich mit W. erlaubt das Reinigen der Wände mit Wasser, färbt nicht ab u. ist weit billiger als ein Anstrich mit Ölfarbe; indessen lassen sich nicht alle Farben zum Wasserglasanstrich benutzen, so z.B. alle organischen Farbstoffe, Zinnober, Berliner Blau u. Bleifarben.[898] Mit gemahlener Kreide od. Gyps zu einem Teig angerührt, erhält man einen Kitt, welcher bes. zum Kitten von Thongefäßen tauglich ist, so für die Thonretorten in den Leuchtgas- u. Paraffinfabriken. Für Metalle dient das W. als Überzug, welcher die Oxydation, selbst in der Hitze, verhindert. Endlich hat das W. in der Malerei, bei der sogenannten Stereochromie (s. d.) Anwendung gefunden Auch lassen sich die Farben mit W. angemacht, auf Glas auftragen u. halten auf demselben außerordentlich fest. In der Kattundruckerei bedient man sich des W-es als Befestigungsmittel für die Beizen u. Farben, auch wendet man es an, um weißen baumwollenen Zeugen Glanz u. ein größeres Gewicht zu geben, es dient also hierbei als Verfälschungsmittel wenigstens insofern, als es der Waare das Ansehen einer besseren gibt. Vgl. Ehrlich, Das W., Quedlinb. 1858.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 898-899.
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