Stereochromie

[781] Stereochromie (v. gr., d.i. Festfärbung), eine 1846 von dem Oberbergrath I. N. von Fuchs in München unter Mitwirkung von v. Kaulbach u. Schlotthauer erfundene besondere Art der Wand- od. Monumentalmalerei zum Ersatz der Frescomalerei; gründet sich auf die Fixirung von Mineralfarben durch Wasserglas u. besteht in Folgendem: Zunächst wird ein Untergrund von gewöhnlichem Kalkmörtel aus mittelfeinem gewaschenem Sand u. nicht zu fettem Kalk gemacht u. dieser mehre Tage lang der Luft ausgesetzt, damit der Kalk austrockene. u. Kohlensäure anziehe (weil Ätzkalk das Wasserglas sogleich zersetzt); sodann folgt ein wiederholtes Auftragen von Wasserglaslösung vom specifischen Gewicht 1,24 bis 1,25 mit gleichen Raumtheilen Wasser verdünnt. Dieses Wasserglas ist Natron- od. Doppelwasserglas, erhalten durch Zusammenschmelzen entweder von 100 Theilen Quarz, 60 Th. wasserfreiem Glaubersalz u. 15 bis 20 Th. Kohle, od. von 100 Th. Quarz, 28 Th. gereinigter Pottasche, 22 Th. calcinirter Soda u. 6 Th. Holzkohle; die Lösung muß mit so viel Natronkieselfeuchtigkeit (erhalten. durch Schmelzen von 3 Th. reiner calcinirter Soda mit 2 Th. Quarz u. Auflösen der Schmelze mit wenig Wasser) versetzt werden, daß sie nicht mehr opalisirend, sondern klar ist. Erweisen sich beim Überfahren mit einem nassen Pinsel alle Stellen der Wand als gleich stark getränkt,[781] so wird nach dem Trocknen der Obergrund od. Malgrund etwa 1 Linie dick u. möglichst eben aufgestrichen. Derselbe ist ebenfalls ein Kalkmörtel, jedoch mit Regenwasser u. aus einem möglichst mageren Kalk u. gewaschenem Kalk- od. Quarzsand angemacht, welcher letztere durch ein Sieb mit 5 Punkt rheinisch weiten Maschen geschlagen wird. Durch Zerstoßen von Marmorod. Dolomit erhält man den hierzu geeignetsten Sand. Nach dem Trocknen wird der Obergrund mit einem scharfen Sandsteine od. einem eisernen Lieale abgerieben, um ihm die für das Auftragen der Farben nöthige Rauheit zu geben u. zugleich auf bet Oberfläche befindlichen kohlensauren Kalk zu entfernen. Statt des Abreibens kann man den Obergrund auch mit einer Lösung von 1 Th. concentrirter Phosphorsäure in 6 Th. Wasser überpinseln. Endlich wird der Obergrund etwa zwei Mal mit der obigen Wasserglaslösung getränkt u. nach dem Trocknen beginnt das Malen. Die Farben werden feinstens gerieben, bloß mit Wasser angemacht u. unter öfterem Bespritzen der Mauer mit reinem Wasser aufgetragen. Stellen, welche oft übermalt u. angespritzt werden müssen, zeigen eine Verminderung des Farbenfeuers, erlangen dieses aber wieder durch Bürsten mit einem seinen Pinsel nach dem Trocknen. Die zur S. verwendbaren, d.h. durch Wasserglas nicht veränderlichen Farben sind: Zinkweiß, Chromgrün, Kobaltgrün, Chromroth, Eisenoxyd, Cadmiumgelb, Chromgelb, Ultramarin, Ocker, Terra di Siena, Umbra etc. Die eigentliche Beständigmachung des Gemäldes geschieht endlich durch Aufspritzen von Fixirungswasserglas mittels einer bes. construirten Spritze, was abwechselnd mit Trocken werden lassen so lange fortgesetzt werden muß, bis die Farben sich mit dem Finger nicht mehr abreiben lassen. Die hierzu nöthige Wasserglaslösung (specifisches Gewicht 1,24 bis 1, vo) wird mit 1/2 Th. Wasser verdünnt u. erhalten durch Schmelzen von 15 Th. Quarz mit 10 Th. reiner Pottasche u. 1 Th. Holzkohle, Lösen der Masse u. Versetzen mit obiger Natronkieselfeuchtigkeit bis zum völligen Klarwerden. Vortheilhaft ist es, nach dem Fixiren das Gemälde einige Tage lang mit Weingeist zu tränken u. zu waschen, u. falls sich dasselbe im Freien befindet, in den ersten Jahren das Fixiren mit Wasserglas zu wiederholen. Die stereochromischen Bilder besitzen eine außerordentliche Beständigkeit gegen die Einwirkungen der Atmosphäre, so daß sie ohne Schaden von Regen u. Frost getroffen werden können. Kaulbach u. Echter haben unter anderen vier große Wandgemälde im Berliner Museum stereochromisch ausgeführt. In neuester Zeit hat bes. Fr. Kuhlmann eine Art von stereochromischen Bildern auf Metall, Glas, Porzellan herzustellen angegeben. Um S-n auf Thonschiefer-, Thon- od. anderen Steinplatten zu erzeugen, soll man einen Malgrund aus Wasserglasmörtel, einem Gemisch von Sand od. zerstoßenem Dolomit mit etwas an der Luft zerfallenem Kalk u. der nöthigen Menge Wasserglas, herzustellen. Vgl. Fuchs, Bereitung, Eigenschaften u. Nutzanwendung des Wasserglases, München 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 781-782.
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