Witter, Familie

[1051] Witter (Neustadt). Es ist kulturgeschichtlich nicht uninteressant, daß der erste Buchhändler in Neustadt a. d. Haardt, Mathias Harnisch, den Buchhandel genau so tüchtig mit Wein versorgte, als dies seit vielen Jahren durch die Firma Witter geschieht. Das heißt, natürlich ebenso im Nebenamt wie Witter, denn Harnisch hat Tüchtiges im Buchhandel geleistet. Der Buchdruck wurde 1577 durch die Meyersche Buchdruckerei in Neustadt a. d. Haardt eingeführt. Diese Offizin kam später an Harnisch, der aus Heidelberg zugezogen war und sich allmählich einen umfangreichen Verlag schuf. Er stand in lebhaftem Geschäftsverkehr mit Michael Harder in Frankfurt am Main und besuchte regelmäßig die dortige sowie die Leipziger Messe. Er wird auch unter den Gläubigern von Christoph Kirchner in Leipzig genannt. Seine Druckermarken sind sehr verschieden, am häufigsten tritt ein Signet auf, welches zwei verschlungene Hände mit einem Füllhorn zeigt, rechts oben ein Engel, das Ganze mit der Majuskel-Umschrift Math. Harnisch Ditat servata fides.

Ostern 1828 begründete Christ. Christmann – der auch in Weisenheim eine Buchhandlung besaß, die 1847 an C. Th. Krell verkauft wurde – eine Buchhandlung in Neustadt a. d. Haardt, die sich nur in den bescheidensten Formen und dem engsten Rahmen bewegte.

Erst als das Geschäft 1836 von Aug. Herm. Gottschick (gest. 26. 3. 1848) aus Schorstedt in der Altmark, einem Buchhändler von Beruf und wissenschaftlich gebildeten Mann übernommen ward, wurde es zu einem Buchhandel im eigentlichen Sinn, doch waren die Verhältnisse noch nicht dazu angetan, demselben eine größere Ausdehnung zu geben. Am 15. März 1853 wurde Eduard Witter (geb. 6.9.1824 zu Seidingstadt bei Hildburghausen), der dem Geschäft schon seit längerer Zeit als tüchtiger und intelligenter Leiter vorstand, Eigentümer desselben, das nun die Firma »Gottschick-Witter« erhielt. 1875 nahm Witter Heinrich Gottschick, 1879 seinen Sohn Ludwig Witter, als Teilhaber auf. Das Sortiment wurde 1891 an Wilhelm Rocholl abgetreten, der Verlag von Eduard und Ludwig Witter fortgeführt. Ersterer starb 1900, seitdem ist Ludwig Witter Alleinbesitzer des Geschäftes.

Die Firma Witter ist seit Jahrzehnten die Lieferantin des Cantate-Weins und anschließend daran vieler hunderter Buchhändler. Witter war der Erste, welcher die Weine der Pfalz, die früher zumeist als rheingauer Weine und vermischt mit solchen in den Handel gelangten, unter ihrem wahren Namen in Deutschland vertrieb und ihnen viele neue Freunde zuführte, ein Verdienst, das ihm die Pfalz[1051] und ihre zahlreichen Produkte zu besonderem Danke verpflichtet. Die Gründung dieses Geschäftszweiges entsprang dem Bestreben Witters, seinen Kollegen im Buchhandel einen guten reinen Wein zu einem billigen Preise zugänglich zu machen; dieses Ziel zu erreichen ist ihm in hohem Maße gelungen. Allein nicht nur in Deutschland finden Witter's Weine Verbreitung; auch im Auslande, besonders in Amerika, erfreuen sie sich größter Wertschätzung. Witter ahnte anfänglich wohl selbst nicht, daß die von ihm betretene Spezialität mit der Zeit eine solche Ausdehnung annehmen würde, der Art, daß die Firma Witter als ein Vertrauenshaus ersten Ranges gilt, was übrigens schon vor Jahren kein Geringerer als Viktor Scheffel anerkannte und auch besang (man vergleiche dazu das Witteralbum zum 21.4.1878).

Ein Bruder des »alten Witter«, wie dieser im ganzen deutschen Buchhandel hieß, begründete 1850 die noch heute bestehende Firma C. Witter in St. Louis. Die erfolgreiche Tätigkeit des am 18. Dezember 1867 zu Neustadt a. d. H. verstorbenen Geschäftsgründers Conrad Witter galt hauptsächlich der Einführung guter deutscher Schul- und Volksbücher unter der deutschen Bevölkerung Amerikas. Heute befindet sich die Firma im Besitze von H. und M. Witter.

Quellen: Dorfzeitung 1867; Archiv f. Geschichte des deutschen Buchhandels Band 17; Witteralbum (siehe oben).

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 6. Berlin/Eberswalde 1908, S. 1051-1052.
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