Abneigung

[11] Abneigung (Antipathie), heißt jener oft unerklärliche, manchmal, wie es scheint, angeborene Widerwille gegen gewisse Personen, Thiere, leblose Gegenstände, z.B. Nahrungsmittel, welcher allerdings bisweilen, als Warnungsstimme der Natur, Beachtung verdient, und dann mit Schonung und Vorsicht behandelt werden muß, häufig aber nur Folge eines Vorurtheils oder einer übeln Gewohnheit ist. Folgende, von glaubwürdigen Ärzten berichtete Fälle mögen als sonderbare Erscheinungen der Abneigung hier erwähnt werden: sämmtliche Mitglieder einer Familie konnten die Nähe von Katzen nicht vertragen; selbst wenn sie ihnen weder zu Gesicht kamen, noch ihre Anwesenheit sonst, z.B. durch Geschrei, bemerklich machten, wurden sie in einen Zustand der Unruhe und Unbehaglichkeit versetzt, welcher von Blaßwerden, Zittern, Übelkeiten, allgemeiner Mattigkeit begleitet war, und nicht eher endigte, als bis ein kalter Schweiß den ganzen Körper bedeckte. – In einer Gesellschaft äußert ein Engländer, daß er einen unüberwindlichen Abscheu vor Spinnen habe. Einer der Anwesenden verfertigte ein solches Thier von Wachs und wußte sein ihm gut gelungenes Bildwerk dem Gaste vor die Augen zu bringen. Plötzlich gerieth dieser sonst sanfte, liebenswürdige Mann in Wuth, zog seinen Degen, sprang gegen die Wände des Zimmers, stemmte sich kräftig dagegen, und hieb wie rasend um sich. Alle Muskeln seines Gesichts waren in Bewegung, die Augen rollten wild in ihren Höhlen und bald ward er am ganzen Körper steif. Man entwaffnete und unterrichtete ihn sogleich von dem Betruge. Dessenungeachtet blieb er noch eine Zeitlang unbeweglich und erholte sich nur allmälig. Sein Puls schlug außerordentlich stark und schnell, und der Körper war von kaltem Schweiße überzogen. Es wurde nun unter seinen Augen eine Spinne von Wachs verfertigt, wobei er ruhig zusah, aber nicht bewogen werden konnte, das vollendete Thier zu berühren. – Eine Dame fiel jedes Mal, wenn ihr rothe Rüben zu Gesicht kamen, in Ohnmacht, und ob sie gleich durch Gewöhnung den Anblick derselben ertragen lernte, vermochte sie doch nie davon zu genießen. – Ein sonst gesunder junger Mann bekam stets, sobald er etwas Rothes sah, epileptische Anfälle. Für den Arzt ist die Kenntniß der verschiedenen Arten und der Vermittlungsorgane solchen Widerwillens von großer Wichtigkeit. da dieser auf die Behandlungsweise des krankhaften Zustandes bedeutenden Einfluß hat. Fester Wille vermag hierbei jedoch sehr viel, und ist in der Regel der beste Arzt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 11.
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