Eigenthum

[636] Eigenthum nennt man gewöhnlich Alles, was Jemandem zugehört, und namentlich Sachen, über welche Jemand allein berechtigt ist, für seine Absichten zu verfügen; in rechtswissenschaftlicher Bedeutung aber ist Eigenthum keine Sache, sondern der Inbegriff von Rechten, vermöge welcher Jemand befugt ist, Etwas allein zu besitzen, zu benutzen und frei darüber zu schalten. Diese Befugniß kann indeß durch Gesetze oder Verträge auf verschiedene Weise beschränkt werden, und daraus entsteht der Begriff des freien und des beschränkten Eigenthums. Den höchsten Grad der Beschränkung des Eigenthums finden wir bei dem Lehnsverbande (s. Lehnrecht), vermöge dessen dem Lehnsherrn nur die sogenannte nackte Proprietät oder ein gewisses Obereigenthum, dem Vasallen aber der Besitz und das Benutzungsrecht zusteht; außerdem kann das Eigenthum durch eine Menge dingliche Rechte Anderer, durch Servituten, Dienste u.s.w. belastet sein. Da diese Beschränkungen die Erwerbsthätigkeit des Eigenthümers und eine zweckmäßige und bessere Benutzung seiner Sache oft hindern und insofern das Nationalvermögen vermindern, so ist man in neuern Zeiten darauf bedacht gewesen, das Eigenthum von den Fesseln zu lösen, welche ihm eine weniger aufgeklärte Zeit, namentlich das Mittelalter, aufbürdete. Eine andere Beschränkung des Eigenthums tritt ein, wenn eine Sache sich zu gleicher Zeit in dem Eigenthume Mehrer befindet; man nennt dies Verhältniß gemeinschaftliches oder Miteigenthum und der Antheil, welchen der Einzelne an der Sache mitbesitzt, kann größer oder geringer sein, die Hälfte oder ein Drittheil u.s.w. betragen. Das deutsche Recht kennt indeß noch eine besondere Art von gemeinschaftlichem und zwar das sogenannte Gesammteigenthum, welches unter Anderm bei der Gütergemeinschaft in der Ehe (s.d.) vorkommt. Hier ist von keinem bestimmten Antheile die Rede, sondern Jeder hat Recht auf das Ganze. Ein gemeinschaftliches Eigenthum kann auch durch gemeinschaftliche Zustimmung getheilt werden, die nähern Bedingungen aber, unter welchen solches geschehen kann, sind meist durch besondere Bestimmungen geregelt, namentlich hat es sich die neuere Gesetzgebung angelegen sein lassen, aus demselben Grunde, aus welchem sie die Ablösung der Fesseln des Eigenthums befördert, auch die Theilung von sogenannten Gemeinheiten (s. Gemeinde) zu erleichtern. Die Erwerbungsarten des Eigenthums sind sehr verschieden; gewöhnlich rechnet man dahin: 1) Die Occupation oder Ergreifung herrenloser und verlorener Sachen, die entweder gar keinen Herrn gehabt haben, wie z.B. wilde, in ihrer natürlichen Freiheit befindliche Thiere, mit Ausnahme derjenigen, welche das Jagd- und Fischereiregal für Eigenthum des Staats erklärt, oder sie sind von ihrem frühern Eigenthümer aufgegeben, verlassen, derelinquirt worden, was indeß nur dann angenommen werden kann, wenn sich der frühere Eigenthümer ausdrücklich darüber ausgesprochen hat. Zu den herrenlosen Sachen gehören auch die sogenannten Schätze, d.i. Sachen von Werth, welche an verborgenen Orten gefunden werden und deren Eigenthümer nicht ausgemittelt werden kann. Der Schatz, welchen Jemand auf seinem Grundstücke findet, gehört sein, wird er aber auf fremdem Grund und Boden gefunden, so muß er ihn mit dem Grundbesitzer theilen. Hat der Finder absichtlich und ohne Genehmigung des Grundeigenthümers nach einem Schatze gegraben, so bekommt der Letztere Alles, hat sich der Finder aber die Erlaubniß dazu erbeten, so erhält er die Hälfte, hat ihn endlich der Grundeigenthümer zur Nachgrabung gedungen, so hat er auf weiter nichts Ansprüche, als auf den ausbedungenen Lohn. Verlorene Sachen, d.h. solche, an welchen der frühere Besitzer sein Eigenthum nicht freiwillig aufgegeben hat, müssen zurückgegeben werden; ein Fund ist deshalb sofort bei der Obrigkeit anzuzeigen, eine verhältnißmäßige Belohnung, sowie etwaige Kosten der Aufbewahrung kann der Finder rechtlich verlangen. Meldet sich auf gehörige Bekanntmachung des Fundes der Eigenthümer nicht, so bekommt der Finder 1/3 und der Staat 2/3 des Werths der Sache. 2) Das Hinzukommen oder die Accession, vermöge welcher der Eigenthümer der Hauptsache alles Das erwirbt, was zu dieser als Nebensache hinzukommt. So erwirbt der Eigenthümer eines Baumes die Früchte desselben, der eines Thieres seine Jungen, der Herr des Grund und Bodens das Haus, welches Jemand widerrechtlich und wissentlich auf fremdem Grund und Boden baut, sowie das auf sein Grundstück Gesäete und Gepflanzte. 3) Die gerichtliche Zusprechung oder Adjudication, wodurch der Richter nach geführtem Rechtsstreite Jemanden ausdrücklich für den Eigenthümer einer Sache erklärt. 4) Die Übergabe oder Tradition einer Sache, mir der aber ein rechtlicher Grund der Übergabe, ein sogenannter Rechtstitel, verbunden sein muß, welche Erwerbungsart des Eigenthums am häufigsten beim Kauf (s.d.) vorkommt. In manchen Ländern, z.B. in Sachsen, wird bei Grundstücken außer der Übergabe auch noch die sogenannte Belehnung (s.d.) erfodert. Außer dem Rechtstitel ist auch erfoderlich, daß der Übertragende wirklich Eigenthumsrechte besitzt und dispositionsfähig ist, daß er die Absicht, das Eigenthum zu übertragen und der Empfänger den Willen hat, es zu erwerben. 5) Die Ersitzung oder Usucapion. (S. Verjährung.) Durch dieselben Handlungen, durch welche Eigenthum auf der einen Seite erworben wird, kann es auch auf der andern Seite verloren gehen. Zum Schutze desselben haben die Gesetze die Eigenthumsklage oder Vindication eingeführt, welche nur vom wahren Eigenthümer, [636] aber gegen jeden dritten Besitzer seiner Sache auf unentgeltliche Herausgabe derselben angestellt werden kann. Da indeß bei dieser Klage der nicht immer leicht herzustellende Beweis des Eigenthums geführt werden muß, so stellt auch oft der wahre Eigenthümer die sogenannte Publicianische Klage an, welche ursprünglich blos den Schutz des Besitzes zum Zweck hatte. (S. Besitz.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 636-637.
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