Molken

[170] Molken, Schotten, Wadecke sind gleichbedeutende Benennungen für die von ihrem Gehalt an Butter- und Käsestoff befreite Milch (s.d.) und erscheinen als eine klare, helle Flüssigkeit von grünlichgelber Farbe; sie werden am gewöhnlichsten mit Hülfe von Kuhmilch, jedoch auf verschiedene Art, bereitet und erhalten nach den zur Abscheidung des Käsestoffs benutzten Substanzen verschiedene Beinamen. So heißen süße Molken die durch ein Quentchen getrocknetes und sechs Stunden lang in 11/2 Unzen Wasser eingeweichtes Kälberlaab bereiteten, das man sammt dem Wasser mit 24 Unzen frischer abgerahmter Kuhmilch in einem zinnernen Gefäße so lange kochen läßt, bis sich die käsigen und butterigen Bestandtheile durch Gerinnung in gehöriger Maße geschieden haben. Das Ganze muß dann unter beständigem Umrühren erkalten und durch Leinwand geseihet, kann auch beliebigenfalls durch einen Zusatz von Hausenblase oder zu Schaum geschlagenem Eiweiße abgeklärt werden. Zu versüßten Molken werden 36 Unzen frische abgerahmte Milch bis zum Aufwallen erhitzt, hierauf ein Quentchen gereinigter Weinstein zugesetzt, nach erfolgter Gerinnung aber die halb erkaltete Flüssigkeit durchgeseihet, dann so viel geschlemmte Kreide oder präparirte Austerschalen beigemischt, als zur Sättigung der Säure erfoderlich ist, und endlich die durchgeseihete Flüssigkeit mit Eiweiß geklärt und filtrirt. Außerdem hat man saure oder Weinsteinmolken, bei denen das Sättigen der Säure unterbleibt, sowie nach den Zusätzen benannte Alaun-, Citronen-und Essigmolken, deren Darstellung ganz dieselbe ist, wie die der sauren Molken, nur mit dem Unterschiede, daß statt des Weinsteinrahmes Alaun, Citronensaft oder Essig zur Abscheidung des Käsestoffs benutzt wird, sowie Kräuter-, Manna-, Senf-, Stahl-, Tamarinden- und Weinmolken. Als ein schwach nährendes, gelind auflösendes, Auswurf beförderndes, verdünnendes und eröffnendes Mittel finden die Molken vielfache Anwendung in der Medicin, namentlich bei allerhand Krankheitszuständen der Lungen, öfterm Blutspucken, bei Säfteanhäufungen und Stockungen in den Unterleibseingeweiden, fehlerhafter Gallenabsonderung, Hämorrhoidalbeschwerden, langwierigen Hautausschlägen u.s.w. Sie werden entweder nur für sich oder als Unterstützungsmittel für andere Arzneien angewendet. In ersterm Falle bedient man sich fast ausschließlich der süßen Molken, die man bei uns gewöhnlich in den Monaten Mai, Juni und Juli, des Morgens nüchtern, in steigenden Gaben, anfangs zu einem Schoppen, nach und nach mehr, während eines Spazierganges im Freien trinken läßt, wobei natürlich eine dem Heilzwecke und dem verordneten Mittel entsprechende Diät befolgt werden muß. Dies sind die sogenannten Molkencuren, welche wenigstens vier Wochen, häufiger aber länger, zwei und drei Monate lang gebraucht werden. Zur Erleichterung des Gebrauchs solcher Curen hat man in der Schweiz, z.B. auf dem Rigi, zu Appenzell, Unterlachen, Maieringen und an vielen Orten Deutschlands, wie zu Obersalzbrunnen in Schlesien, bei Wien und Berlin u.s.w. Molkencuranstalten errichtet, in denen man die Molken theils für sich allein, theils mit Mineralwasser oder mit heilkräftigen Kräutern vermischt trinkt. Die Molken verlangen übrigens eine ziemlich kräftige Verdauung; werden sie in zu großen Quantitäten oder zu anhaltend getrunken, so erschlaffen sie den Darmkanal und verursachen Durchfall. Die sogenannten Arzneimolken, d.h. solche, welche mit arzneilich wirksamen Substanzen bereitet worden sind, nehmen immer mehr oder weniger von der heilkräftigen Wirksamkeit der zu ihrer Darstellung verwendeten Mittel an.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 170.
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