Tallien

[358] Tallien (Jean Lambert), geb. 1769, war der Sohn eines Thürhüters des Marquis de Bercy, welcher ihn liebgewann, erziehen ließ und zu seinem Haushofmeister machte. Nachher wurde er Schreiber eines Procurators, darauf Factor in der Redaction des »Moniteur« und unternahm 1791 ein eignes Journal, welches jedoch bald wieder einging. Als Generalsecretair der Commune fing er 1792 an, Einfluß auf die öffentlichen Begebenheiten zu gewinnen, begünstigte die Greuelthaten der Septembertage, trat darauf als Abgeordneter des Seine- und Oisedepartements in die Nationalversammlung und betrieb hier die Hinrichtung Ludwig XVI. Im Dienste des Schreckenssystems, half er die Greuel der Revolution verbreiten. In Bordeaux, wo er die Herrschaft der revolutionnairen Partei blutig geltend machte, verliebte er sich in Frau von Fontenay, geb. Cabarus, welche auf seinen Befehl ins Gefängniß gebracht worden war, gab ihr die Freiheit wieder und ließ sich von ihr zu mildern Maßregeln stimmen. Der Tadel, welchen er deshalb vom Wohlfahrtsausschuß erhielt, nahm ihn noch mehr gegen die Machthaber ein und er führte am 9. Thermidor (27. Jul. 1794) den Sturz Robespierre's herbei, um sich selbst zu retten. Frau von Fontenay wurde seine Gemahlin. Nun wurde er selbst Mitglied des Wohlfahrtsausschusses, bewirkte die Aufhebung des Revolutionstribunals, die Schließung des Jakobinerclubs und die Niederlage der Bergpartei. Als Mitglied des Raths der Fünfhundert eiferte er gegen die Auswanderer, mußte aber doch der öffentlichen Stimme weichen, welche ihn wegen seines mehrfach bewiesenen zweideutigen Wesens verachtete. Er trat daher aus dem Rathe der Fünfhundert und ging 1798 nach Ägypten, erhielt eine öffentliche Anstellung zu Kairo und wurde endlich vom General Menou zugleich mit einer Anklage nach Frankreich zurückgeschickt. Doch das Schiff, auf welchem er sich befand, wurde von den Engländern genommen und T. nach London gebracht. Er kehrte nachher nach Frankreich zurück, war seit 1806 einige Jahre franz. Consul zu Alicante und zog sich dann in die Verborgenheit zurück. Im J. 1816 wurde er verbannt, erhielt jedoch Aufschub und starb 1820 zu Paris nach langen Leiden in großer Dürftigkeit. Seine Gemahlin ließ sich nach seiner Abreise nach Ägypten von ihm scheiden und vermählte sich später mit dem Grafen von Caraman, Prinzen von Chimay. Sie war von außerordentlicher Schönheit und spielte zur Zeit der Macht T.'s eine große Rolle in den pariser Cirkeln.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 358-359.
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