Vertrag

[599] Vertrag, Contract heißt ein Rechtsverhältniß, welches aus der wechselseitigen Vereinigung zweier oder mehrer Personen darüber hervorgeht, daß der eine Theil sich zu einer Leistung, der andere zur Annahme derselben verpflichtet, oder kürzer: indem der eine Theil ein Versprechen leistet und der andere dieses annimmt. Die sich vertragenden Parteien, die Contrahenten oder Paciscenten müssen natürlich zum Abschlusse von Rechtsgeschäften befähigt und z.B. keine Unmündigen (s. Minorenn), noch unter väterlicher Gewalt (s. Vater) stehende oder gerichtlich erklärte Verschwender (s.d.) sein. Durch Bevollmächtigte können in der Regel Verträge ebenso gültig abgeschlossen werden, wie in eigner Person, und die Vorsicht gebietet dann nur, daß man sich über die Vollständigkeit der Vollmacht des Beauftragten des andern Theils Gewißheit verschafft. Ungültig ist ein Vertrag, wenn der eine Theil bei der Eingehung desselben in wesentlichem Irrthume befangen war; wenn der Beitritt durch Zwang (der auch durch Drohungen ausgeübt wird) bewirkt wurde; wenn die Möglichkeit der vernünftigen Ausführung fehlt; wenn danach einem Dritten etwas geleistet werden soll, wobei jedoch mehre Ausnahmen in Betracht kommen. So kann ein Pfandgläubiger dem auf das Pfand Schuldigen beim Verkaufe desselben das Recht der Wiedereinlösung vorbehalten und ein Vater oder Großvater, welcher seiner Tochter oder seiner Enkelin ein Heirathsgut gibt, kann dabei verfügen, daß dieses in der Zukunft den Kindern der Ausgestatteten oder ihr selber zurückgegeben werde. Wenn sonach im Allgemeinen keinem Dritten ein Recht in einem Vertrage bestimmt werden kann, weil ein solcher blos zwischen den Contrahenten Rechtsverhältnisse begründet, so werden auch dritte Personen dadurch nicht verpflichtet, wovon indessen auch einige Ausnahmen vorkommen. Hat z.B. ein Erblasser seinen Erben gegen einen Dritten verpflichtet, so muß der Erbe nach des Erstern Ableben der Verpflichtung nachkommen, sofern er nämlich die Erbschaft überhaupt antritt, und wenn der Miteigenthümer einer Sache dem Andern versprochen hat, binnen eines gewissen Zeitraums nicht auf Theilung zu dringen, so muß auch Derjenige diesen Zeitraum abwarten, welcher etwa dessen Antheil an der Sache vor Ablauf desselben erwirbt. Ungültig sind auch alle auf etwas gesetzlich oder moralisch Verbotenes gerichtete Verträge. Schon nach röm. Recht ist es aber streitig, ob eine vertragsmäßige Verpflichtung zu einem Thun oder Lassen unbedingt gültig sei und nicht vielmehr blos zu einem Anspruch auf Entschädigung Grund gebe, welches Letztere auch im engl. und franz. Rechte besteht. Die Abfassung eines schriftlichen Aufsatzes macht nur in den Fällen einen wesentlichen Theil eines Vertrags aus, wenn die Contrahenten dieselbe verabredet oder vielleicht als Bedingung der Geltung des Ganzen angenommen haben, wo dann die wechselseitige Verbindlichkeit erst nach beiderseitiger Unterschrift für die Vertragenden anhebt und bevor diese ertheilt ist, jeder von ihnen noch zurücktreten kann. Alle Verträge sind entweder Real- oder Verbal- Contracte. Unter Realcontracten werden nämlich die verstanden, welche als vollgültig erst anzusehen sind, wenn die Contrahenten nicht allein ihre Einwilligung erklärt, sondern auch die von einem dem Andern versprochene Leistung wirklich gemacht worden ist. Es gehören dahin die Darlehns-, Leih-, Niederlegungs- und Pfandverträge. Dagegen werden Verbalcontracte, welche auch Consensualcontracte heißen, mit geschehener Einwilligung der Vertragenden abgeschlossen. Wird beim Abschluß eines Vertrags die Einwilligung ausdrücklich erklärt, so heißt er ein ausdrücklicher, wird sie aber nur stillschweigend zu erkennen gegeben, ein stillschweigender. Die Gültigkeit eines Vertrags kann auch von gewissen Bedingungen abhängig gemacht werden, welche eintreten können oder nicht. Indem er sonach erst beim Eintritte derselben gültig wird, bezeichnet man ihn als einen bedingten oder auch eventuellen. Zuweilen werden für Vertrag auch die Bezeichnungen Convention (s.d.), sowie Transaction und Tractat (s.d.) gebraucht und die zwischen der geistlichen und der weltlichen Macht werden insbesondere Concordate (s.d.) genannt. Auch nach dem Inhalte ist von Kauf-, Erb-, Schenkungs-, Ehe-, Tausch-, Friedens-, Schiffahrts-, Handels-, Zollverträgen u.s.w. die Rede.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 599.
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