Niederlande (Geschichte)

[431] Niederlande (Geschichte) (Gesch.). Die jetzt getrennten Königreiche Belgien und Holland waren zur Zeit der Römer die Wohnsitze der tapfern Bataver, Belgier und Friesen, welche den Eroberern kräftig widerstanden und sich nie ganz unterjochen ließen. Das gewaltige Reich Karls des Großen verschlang später auch jene Völker; nach der Theilung der Karolinger kamen die Niederlande unter deutsche Hoheit und wurden zum Theil als Niederlothringen von Herzogen regiert. In den einzelnen Provinzen warfen sich Grafen zu Herren auf, so die von Holland, Hennegau etc., und die deutschen Kaiser behaupteten nur selten ihr Ansehen. Handel und Gewerbe blühten früh, überall entstanden reiche Städte, die durch ihre Verbindung mit der deutschen Hansa sich ungemein kräftigten. Nach dem Tode Jacobäa's von Holland (s. d.) vereinigte Philipp von Burgund 10 niederl. Provinzen unter seinem Scepter. Sein Sohn, Karl der Kühne, war der reichste Fürst seiner Zeit; wie nach dessen Tode die einzige Tochter Maria den Erzherzog Max heirathete, und so die Niederlande an Oestreich brachte, ist in den Art. Maria und Max I. erzählt. Ihr Enkel, Karl V., besaß alle 17 Provinzen; er hegte sie als die schönste Perle seiner vielen Kronen. Antwerpen, Gent, Brügge etc. übertrafen an Reichthum und Bevölkerung alle Städte Europa's. Damals gewann die Reformation, besonders in den nördlichen Provinzen, Eingang, und als Philipp II., Spaniens König und Karls einziger Sohn, blutige Strenge zu ihrer Unterdrückung anwandte, und überhaupt die Rechte der Stände vielfach verletzte, da bildete sich 1565 der Gueusenbund (Bettler, vom Hofe so genannt). Sein Zweck war zuerst nur die Aufrechthaltung der Privilegien, besonders aber freie Religionsübung für Jedermann. Philipp sandte den Henker Alda; Egmont, Horn und viele Tausende bluteten für Glauben und Freiheit, und Wilhelm von Oranien begann jenen heldenmüthigen Kampf, der nach 80 jähriger Dauer das mächtige [431] Spanien nöthigte, die 7 nördlichen Provinzen als unabhängigen Freistaat anzuerkennen. Der südliche Theil der N. blieb größtentheils katholisch und theilte Spaniens Schicksale bis zum Frieden von Uetrecht (1713), in Folge dessen er an die deutsche Linie des Hauses Habsburg gelangte. – Die nördlichen N. oder die vereinigten N. blühten nun als mächtiger Freistaat unter Statthaltern aus dem Hause Oranien bis 1795. Damals wurde diese Familie durch franz. Heere vertrieben, der nun batavische Republik genannte Staat aber unter franz. Einfluß gestellt und nach kurzer Existenz als Königreich (1806–1810 unter Ludwig Bonaparte) ganz mit Frankreich, das schon früher Belgien an sich gerissen hatte, vereinigt. Das Jahr 1813 brachte die Oranier zurück, und der Wiener Congreß vereinigte unter ihrer Herrschaft sämmtl. Niederlande als Königreich. Doch waren die Interessen beider Theile zu verschieden; die Belgier fühlten sich unter König Wilhelm nicht glücklich und benutzten die Wirren des Jahres 1830, um sich Frankreich wieder zu nähern. Leopold I. gelangte durch Englands und Frankreichs Schutz als König von Belgien zur Regierung. Wie aber die nördl. Niederlande, jetzt gewöhnlich Holland genannt, in diesen traurigen Kämpfen fest an ihrem Könige hingen und für ihre Ehre und Rechte selbst die größten Opfer freudig brachten, ist bekannt. Die Geschichte wird die heutigen Holländer als würdige Nachfolger ihrer großen Ahnen bezeichnen.

S.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 431-432.
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