Bein

[573] Bein, ursprünglich soviel wie Knochen (daher noch die Ausdrücke Beinhaus, Nasenbein, Elfenbein u. a.), dann die zum Gehen und Laufen dienenden Gliedmaßen der Tiere, speziell beim Menschen die hintern. Bei den Wirbeltieren sind die hintern Gliedmaßen mittels des Beckengürtels am Rumpfe befestigt; im großen und ganzen sind ihre Knochen eine Wiederholung derjenigen des Armes und bilden sich gleich diesen zurück oder verschmelzen miteinander. Dies gilt besonders für das Vogelbein, an dem ganz bedeutende Reduktionen und Verschmelzungen der Knochen eintreten; wichtig ist hier der starke Mittelfuß- (Lauf-)knochen; auch bei den Säugetieren, besonders bei den Einhufern, finden am Unterschenkel starke Reduktionen statt (s. die einzelnen Gruppen der Wirbeltiere).

Am B. des Menschen (s. Tafel »Skelett I«) bildet die Grundlage des Oberschenkels (femur) ein Röhrenknochen, der zugleich der längste Knochen des Körpers ist. Sein oberes umgebogenes Ende trägt einen kugelförmigen Gelenkkopf, der in die einer halben Hohlkugel entsprechende Pfanne des Beckenknochens eingesenkt ist und mit dieser zusammen das Hüftgelenk (s. Hüfte) bildet; das untere Gelenkende tritt mit dem breiten obern Ende des Schienbeins zum Kniegelenk (s. Knie) zusammen. Der Unterschenkel (crus) besitzt zwei Knochen: das stärkere Schienbein (tibia) und das viel dünnere Wadenbein (fibula). Das obere Ende des letztern ist unbeweglich mit dem entsprechenden Ende des Schienbeins verbunden, beteiligt sich aber nicht an der Bildung des Kniegelenks. Dagegen steht der Fuß (s. d.) mit beiden Röhrenknochen des Unterschenkels in Gelenkverbindung, indem der oberste Fußwurzelknochen, das Sprungbein (talus, astragalus, s. Fuß), von den fest verbundenen untern Enden (den Knöcheln, s. d.) des Schien- und Wadenbeins wie von einer Gabel umfaßt und durch viele Bänder (s. Tafel »Bänder I«, Fig. 1–3, Taf. II, Fig. 2–6) in dieser Lage gesichert wird. Die mächtigen Muskeln (s. Tafel »Muskeln«, Fig 1 u. 2) zur Bewegung des Beines als eines Ganzen kommen gleich den zur Streckung oder Beugung des Unterschenkels im Kniegelenk bestimmten vom Becken her. Die Muskeln am Unterschenkel bewegen den Fuß; zum Teil bilden sie die Wade und vereinigen sich zu der gemeinschaftlichen, sehr starken Achillessehne (s. d.), die sich an den Höcker des Fersenbeins ansetzt. Tieferliegende Muskeln der Vorder- und Hinterseite dienen zur Bewegung der Zehen. Die Pulsadern (s. Tafel »Blutgefäße«, Fig. 5) des Beines stammen fast sämtlich aus der großen Schenkelschlagader (arteria femoralis), die durch den Leistenkanal aus der Bauchhöhle hervortritt und sich in der Kniekehle in die vordere und hintere Schienenarterie teilt. Die Nerven (s. Tafel »Nerven II«, Fig. 5) des Beines treten in zwei Stämmen (Schenkel- und Hüftnerv) vom Becken aus an das B. heran.

Verkrümmungen der Beine entstehen durch Krümmung der Ober- oder Unterschenkelknochen (schiefe Heilung von Knochenbrüchen, Rachitis, Knochenerweichung), besonders aber durch winkelige Stellungen beider Knochen zueinander. Bei schiefer Heilung eines Bruches ist immer eine erhebliche Verkürzung des Beines vorhanden, die auch durch nochmaliges Brechen des Knochens oder keilförmige Ausmeißelung (Osteotomie) an dem Winkel und Geraderichtung nicht völlig beseitigt wird. Die nach Rachitis zurückbleibenden Verkrümmungen heilen im späteren Alter häufig von selbst, können auch durch zweckmäßige Maschinen sehr gebessert werden. Durch winkelige Stellung der Ober- und Unterschenkelknochen im Kniegelenk entstehen, je nachdem der Winkel nach außen oder innen offen ist, X-B eine (Bäckerbeine) oder O-B eine (Säbelbeine). Die erste Form entsteht häufig bei den Bäckern, die in gebückter Stellung schwere Schieber halten müssen, dabei die Kniee fest zusammenpressen, während sie die Füße zum festern Stehen soweit wie möglich voneinander entfernt stellen. Säbelbeine entstehen häufig bei alten Kavalleristen. Im jugendlichen Alter werden solche Anomalien durch orthopädische Maschinen korrigiert; im spätern Alter erzielt man durch Operationen teilweise Heilungen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 573.
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