Benāres

[621] Benāres (Banaras, Warânasi, »im Besitz des besten Wassers«), Division der britisch-ind. Nordwestprovinzen, zwischen 23°52´-27°30´ nördl. Br. und 82°10´-84°40´ östl. L.; 26,971 qkm groß, mit (1901) 5,032,502 Einw. (überwiegend Hindu). Das im S. vom Ganges durchflossene, gut bewässerte, fruchtbare Land hat ein gemäßigtes, im Winter kühles Klima. Der Bezirk zerfällt in sieben Distrikte: Azamgarh, Mirzapur, B. (2585 qkm mit 921,943 Einw.), Ghazipur, Gorakhpur, Basti und Ballia.

Die gleichnamige Hauptstadt, 82 m ü. M., am linken Gangesufer, hat 26,6° mittlere Jahrestemperatur. Sie ist seit undenklichen Zeiten Hauptsitz brahmanischer Gelehrsamkeit und als heiligste Stadt der Hindu der besuchteste indische Wallfahrtsort. Viele Hindu haben sich in B. Paläste erbaut, wo sie ihre letzten Tage hinbringen; denn wer in der heiligen Stadt in der Gunst der Brahmanen stirbt, ist sicher, unmittelbar in den Schoß der Gottheit aufgenommen zu werden. Täglich pilgern Tausende, Hunderttausende zu gewissen Festtagen hierher, um im Ganges ihre Gebete und Waschungen zu verrichten oder ihre Krüge mit dem Wasser des heiligen Stromes zu füllen, das bis zur Südspitze Indiens getragen wird; seine Versendung ist ein wichtiger Industriezweig geworden. Kranke lassen sich hierher tragen, um angesichts des heiligen Stromes zu sterben. B. hat 1454 meist kleine Hindutempel, 272 Moscheen, mehrere Dschainatempel, einen buddhistischen Tempel. Die prächtigste Ansicht gewährt die Stadt von dem hier 540–780 m breiten Ganges aus, an dessen weitem Bogen sie sich hinzieht. Alle andern Gebäude überragt die Moschee Aurangzebs mit ihren schlanken, 35 m hohen Minaretts. Ein mächtiger Bau ist auch die 1693 errichtete Sternwarte mit großartigen Instrumenten. Zwischen Paläste und Tempel drängen sich aber auch elende Hütten, und das Innere der Stadt ist ein Gewirr enger, schmutziger Gassen. Das saubere englische Viertel (Sikraul) enthält eine Kirche, ein Hospital, Kasernen, 3 höhere Schulen, 3 englische Missionsanstalten, eine Bank. Die Bevölkerung betrug 1901: 203,095 Seelen. Die durch den Fremdenverkehr sehr geförderte [621] Industrie erzeugt namentlich Seidenstoffe, Schals, Gold- und Silberstickereien, Juwelierwaren, Messinggefäße, Lackwaren. Der bedeutende Handel, unterstützt durch Dampfschiffahrt auf dem Ganges und die Bahnen Kalkutta-Dehli und B.-Lucknow, vertreibt den heimischen Zucker, Indigo, Salpeter und führt europäische Waren ein. B. enthält eine höhere Hindu- und eine höhere Sanskritschule, das Benaresinstitut, eine Gesellschaft meist eingeborner Männer, und die Carmichael-Bibliothek. – B. war im 6. Jahrh. v. Chr. der Mittelpunkt der Religion des Buddha, der hier zuerst »das Rad seiner Lehre drehte« (Predigt von B.), was durch einen riesigen Stûpa (Reliquienbehälter) 5 km nördlich von B. der Nachwelt überliefert wurde. Jetzt ist B. Hauptkultusstätte des zerstörenden Gottes Siwa, dessen schöpferische Kraft im Lingam (s. Lingaïten) verehrt wird, das als formloser Stein überall aufgestellt ist. 1194 von Mohammed Ghori eingenommen, verblieb B. 600 Jahre lang unter mohammedanischer Herrschaft; einzelne Gebieter rühmten sich, ein volles Tausend Hindutempel eingeäschert zu haben. Später herrschten die Nawab von Audh, seit 15. April 1776 die Engländer. Vgl. Sherring, The sacred city of the Hindus (Lond. 1868); Derselbe, Hindu tribes and castes, as represented in B. (Benares 1872).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 621-622.
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