Ganges [2]

[318] Ganges (im Sanskrit Ganga), der Hauptstrom Britisch-Indiens (s. Karte »Ostindien«), entspringt als Bhagirathi im Distrikt Garhwal der Nordwestprovinzen unter 30°56' nördl. Br. und 79°7' östl. L. unter einem 90 m starken Gletscherrand oberhalb des hochheiligen Wallfahrtsorts Gangotri (s.d.) in 4205 m Höhe, zwischen Bergriesen von 7000 m, nimmt links den ansehnlichen Julkar, weiterhin Tehri und Bhillung auf, vereinigt sich mit der Dschahnawi und bei dem berühmten Wallfahrtsort Deoprajag mit dem ansehnlichen, aus Wischnuganga und Dhauli entstandenen Alakananda und heißt fortan G. Nun fällt er stark bis zu dem heiligen Hardwar (403 m), wo er in das Tiefland eintritt. Er nimmt dann links die beträchtliche Ramganga auf und 1075 km von der Quelle, bei Allahabad (97 m), die fast ebenbürtige Dschamna (s.d.), die ihn von seinem Quellgebiet an in gleicher Richtung begleitet und mit ihm das Doab (s.d.) oder Zweistromland einschließt. Die Landzunge an der Vereinigung beider Flüsse ist die heiligste der fünf heiligen Mündungsstellen (Prajaga), zu der jährlich Hunderttausende pilgern. Das Gefälle beträgt von Hardwar bis Allahabad 0,22 m, von Allahabad bis Kalkutta 0,05 m auf 1 km. Von Allahabad an läuft der Strom, anfangs sehr gewunden,[318] wesentlich nach O., berührt Benares, wo er in der trocknen Jahreszeit 426 m breit, 7,5 m tief ist (in der Regenzeit das Doppelte) und in der Sekunde eine Wassermasse von 589 cbm entladet, und empfängt neben kleinern Zuflüssen (Tonsi, Gumti, Karmanasa) links die der Dschamna an Größe vergleichbare Gogra, während von S. der Son zufließt. Vom Himalaja strömen ihm der ansehnliche Gandak (s.d.) und der Kusi (unterhalb Bhagalpur) zu. Die Breite des G. ist hier auf mehr als 1500 m angewachsen, die Wassermenge bei Radschmahal ist im Maximum 50,400 cbm, sein Bett aber nach der Umlenkung nach SO. unterhalb Sahibgang nur 1,5, ja stellenweise kaum 1/2 m tief. Nun tritt er in die Tiefebene von Bengalen ein und beginnt sich zu verzweigen. Die Hauptmasse des Flusses behält als Padda (Padma) oder G. Südostrichtung und vereinigt sich bei Goalanda mit dem Brahmaputra, von hier an Meghna genannt. Die bedeutendste der Verzweigungen ist die Bhagirathi (nach Vereinigung mit der Dschalanglais Hugli). Sie bleibt 160 km landeinwärts für Seeschiffe fahrbar und fällt, an Kalkutta vorbei, bei der Sagarinsel mit breiter Mündung ins Meer. Der mittlere der acht Hauptarme ist der Mudhumati, an der Mündung Haringhata genannt. Die Werder des eigentlichen Mündungslandes sind die Sunderbands (s.d.) zwischen Hugli im W. und Meghna im O., ein Labyrinth von Schlamm- und Sandinseln, gebildet durch zahllose Stromadern und Rinnsale.

Der 2500 km lange G. steht dem Indus und Brahmaputra an Länge nach, voran aber in der Ausdehnung seines Gebiets (1 Mill. qkm), der mittlern jährlichen Wassermasse (7700 cbm in der Sekunde) und der Menge der Sinkstoffe (197 Mill. cbm); die durch letztere bewirkte Färbung des Meeres reicht bis 100 km von der Küste. Im Mai beginnt der Fluß zu steigen und erreicht im September seine größte Höhe, bei Allahabad 8,8–13,9, bei Benares 10,4–13,7, bei Golgong 8,6–9, bei Kalkutta 2–2,18 m. Ende Juli ist das ganze Mündungsgebiet ein großer See, aus dem nur Dörfer und Bäume hervorragen. Weite Landstriche sind durch Dämme geschützt.

Die Uferlandschaften des G. sind mit einer üppigen subtropischen Vegetation bedeckt; Reis, Weizen, Gerste, Opium, Indigo, Baumwolle, Jute etc. ergeben reiche Ernten. Der G. ist reich an Fischen, Schildkröten und Krokodilen (Gavialen). Befahren kann man ihn mit Flößen bis Hardwar. Seit 1834 gehen eiserne Dampfer bei Hochwasser bis Garhmukhtisar, 630 km oberhalb Allahabad; in der trocknen Jahreszeit hindern Untiefen und Stromschnellen die Schiffahrt oberhalb Khanpur, die jedoch sehr bedeutend ist und auch durch die Eisenbahn, die fast das ganze linke Ufer begleitet, nicht gelitten hat, da nun der schnell gestiegene Verkehr von Massengütern den Fluß allein in Anspruch nimmt. Für Schiffahrt und Bewässerung ist von größter Wichtigkeit der 1848 begonnene Gangeskanal, der von Hardwar südwärts über Nanun im Distrikt Aligarh einerseits nach Khanpur in den G., anderseits über Etawah in die Dschamna mündet. Er ist 1305 km lang und hat, einschließlich aller Nebenkanäle, 5,750,000 Pfd. Sterl. gekostet. Eine Fortsetzung bildet der Untere Gangeskanal, der den ganzen südlichen Teil des Doab bewässern und mit allen Verzweigungen 688 km lang werden soll. Im Naturdienst der Inder nimmt das Wasser des G. als reinigend und sühnend eine hohe Stelle ein; schon in der alten Überlieferung (Strom der Götter) gilt der G., die Ganga, als besonders heilig. Dargestellt wird er als junge Frau mit einer Lotosblume in der Hand. Noch heute ist er das Ziel zahlreicher Pilger, die sich von ihren Sünden rein zu baden suchen. Der Versand von Gangeswasser bildet einen sehr einträglichen Handel der Brahmanen. Wer an seinem Ufer stirbt oder vor dem Tode sein Wasser trinkt, ist des Paradieses sicher. Früher warfen die Hindu ganz allgemein ihre Toten in den G.; seit die englische Regierung ein strenges Verbot dagegen erlassen hat, geschieht dies nur noch mit der Asche der freilich oft sehr unvollständig verbrannten Leichen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 318-319.
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