Maifest

[119] Maifest, eine altherkömmliche, durch das ganze nordwestliche Europa verbreitete und früher außerordentlich volkstümliche Feier des neu erwachenden Lebens in der Natur. Sie zerfiel in zwei getrennte Teile, deren erster, die Vertreibung des Winters, an vielen Orten bereits in den Fastenzeiten oder zu Ostern stattfand. Eine Puppe in Gestalt eines alten Mannes wurde hierbei bekämpft, in dramatischen Spielen besiegt, enthauptet oder gesteinigt und endlich verbrannt, ins Wasser gestürzt oder aufgehängt. Um damit symbolisch auch alles Ungemach, Krankheit und Tod, die der Winter im Gefolge führt, mit zu verbannen, ward diese Zeremonie auch das Todaustragen (s. d.) genannt. Auf die Verbannung des Winters folgt dann die Einführung oder Eroberung des Frühlings, denn oft, wie z. B. im englischen Morrisdance (s. d.), nahm das ganze Fest die Gestalt eines Kampfes (Niederwerfung des Winterdrachens) oder eines Waffentanzes (s. d.) an und wurde im Süden meist schon 23. April (Georgsfest), in Mitteldeutschland 1. Mai, in England am Pfingstfest gefeiert. Die Hauptrolle dabei spielt meist das Gesundheits- und Fruchtbarkeitssymbol, der Maibaum, gewöhnlich eine stattliche Birke mit eben entfaltetem Blätterschmuck (Maien), die feierlich eingeholt, mit Bändern, Kränzen, Kronen etc. aufgeputzt, in Prozession von Haus zu Haus geführt und schließlich auf einem Hauptplatz eingepflanzt wird, um darum zu tanzen oder die üblichen Spiele zu begehen. Auch pflanzen die jungen Leute zum M. ihren Bräuten einen Maibaum vor das Fenster. An vielen Orten wird der Mai auch noch durch die Laubeinkleidung, d. h. durch Puppen oder junge Leute personifiziert, die gänzlich in grünes Laub gekleidet werden (grüner Georg, Pfingstlümmel, Gras- oder Lattichkönig etc.) und zur Erzielung eines fruchtbaren Jahres schließlich ins Wasser geworfen werden. Häufig reiht sich ein Wettrennen zu Pferde an, womit in Thüringen, Bayern etc. ein Kran z- oder Bosselstechen verbunden wird. Der Sieger ist für das nächste Jahr Mai-, Blumengraf oder Pfingstkönig, der sich eine Pfingstkönigin wählt und alle beim M. stattfindenden Umzüge und Unterhaltungen als Anführer zu leiten hat. Vielfach verbindet sich mit dem M. der Gebrauch des Mailehen (s. d.). Die wichtigste der weitern Zeremonien besteht in einem Umzug durch die Ortschaft und um die Saatfelder, der gewöhnlich mit Musik und Pomp zu Pferde geschieht (Umritt, Mai- oder Pfingstritt), und mit dem in Hannover und Westfalen zugleich der erste allgemeine Austrieb des Viehes (Wettaustreiben) stattfindet. Auch das Maibad, ein Baden im Maientau der Wiesen in der Nähe der Walpurgiskapellen, und das Maientrinken, das der heil. Walpurgis gewidmete Minnetrinken im Maitau, durch das man sich neue Kraft und Gesundheit für das ganze Jahr zu erwerben hoffte, war weit verbreitet. Vgl. Mannhardt, Wald- und Feldkulte (Berl. 1875–77, 2 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. von Heuschkel, 1904); Rochholz, Drei Gaugöttinnen als deutsche Kirchenheilige (Leipz. 1870); Pabst, Die Volksfeste der Maigrafen (Berl. 1865).[119]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 119-120.
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