Rauscher, Joseph Othmar

[638] Rauscher, Joseph Othmar, Ritter von, Kardinal und Fürst-Erzbischof von Wien, geb. 6. Okt. 1797, gest. 24. Nov. 1875 in Wien. Er studierte Rechtswissenschaft und Theologie, erhielt 1823 die Weihen, ward 1825 Professor des Kirchenrechts und der Kirchengeschichte am Lyzeum in Salzburg, 1832 Direktor der k. k. orientalischen Akademie. Als solcher ward er Lehrer des jetzigen Kaisers Franz Joseph und seiner beiden Brüder in der Philosophie. 1848 ward er zum Bischof von Seckau, 1853 zum Fürst-Erzbischof von Wien ernannt. Zum Lohn für den Abschluß des Konkordats vom 18. Aug. 1855, das R. im Rate des Kaisers durchgesetzt hatte, verlieh ihm der Papst 17. Dez. die Kardinalswürde. Seiner innigen Beziehungen zum Kaiser und seiner treuen deutsch-österreichischen Gesinnung wegen erlangte er auch politischen Einfluß und verfocht eifrig die österreichische Reichsidee den föderalistischen Bestrebungen gegenüber. 1860 in den Reichsrat berufen, förderte er die Februarverfassung sowie die Regierung Schmerlings und trat als Mitglied in das Herrenhaus, in dem er zwar das Konkordat,[638] aber auch die liberale Verfassung verteidigte. Auf dem Konzil 1870 zeigte er sich der Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas, das er in einer Denkschrift bekämpfte, abgeneigt und verließ Rom vor der Abstimmung, verkündete aber später das Dogma in seiner Diözese. Die moderne Wissenschaft, namentlich die deutsche Philosophie, bekämpfte er in Hirtenbriefen und Predigten; dagegen förderte er die kirchliche Kunst durch Kirchenbauten und Restaurationen. Von seinen Schriften erwähnen wir die unvollendete »Geschichte der christlichen Kirche« (Sulzbach 1829, 2 Bde.), »Hirtenbriefe, Reden, Zuschriften« (2 Bde., Wien 1875; 3. Bd., Freib. i. Br. 1889) und »Darstellung der Philosophie« (hrsg. von Wolfsgruber, Bd. 1, Saulgau 1891). Vgl. Wolfsgruber, Kardinal R., sein Leben und sein Wirken (Freiburg 1888).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 638-639.
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