Konkordāt

[397] Konkordāt (lat.), »Vereinbarung«, besonders eine solche zwischen Staat und Kirche über deren Verhältnisse innerhalb des Staatsgebiets. Früher, besonders solange die Bischöfe selbst Landesherren waren, wurden vielfach Konkordate zwischen den Bischöfen und den weltlichen Landesherren abgeschlossen; heute wird die Bezeichnung regelmäßig nur für Vereinbarungen zwischen dem Papst und einzelnen Staaten gebraucht. Über die rechtliche Natur der Konkordate sind die Ansichten verschieden. Diejenige Rechtsanschauung, die dem System der römischen Kurie am meisten entspricht, erklärt die Konkordate für einseitige Privilegien des Papstes, die er in Milderung des streng kanonischen Systems einzelnen Staaten zugestehe; danach seien sie zwar auf der Seite des Staates rechtsverbindlich, auf der der Kirche hingegen einseitig widerruflich. Die herrschende Lehre nimmt in den Konkordaten wirkliche zweiseitige Verträge an, und diese Verträge werden spezieller meist als völkerrechtliche Verträge oder als eine eigentümliche dritte Klasse von öffentlichen Verträgen neben den Staats- und Völkerrechtsverträgen charakterisiert. Eine dritte Theorie hält vom Standpunkt des modernen Staates aus einen bindenden Vertrag mit der katholischen Kirche zur Regelung ihrer Verhältnisse innerhalb eines Staatsgebiets für rechtlich unmöglich, weil sie innerhalb dieses Gebiets eine dem Staate nicht gleichgeordnete, sondern schlechthin unterworfene Korporation sei. Die Konkordate sind nach dieser Theorie einseitige Staatsgesetze. Im Mittelalter sind eine Reihe von Konkordaten abgeschlossen worden. Als das erste K. pflegt man die Vereinbarung zwischen dem deutschen Kaiser Heinrich V. und dem Papst Calixt II. (1122) zu bezeichnen (s. Wormser Konkordat); durch dieses wurde der Investiturstreit dahin beendet, daß der Kaiser auf die Belehnung mit Ring und Stab verzichtete und die kanonische Wahlfreiheit hinsichtlich der höhern Kirchenämter anerkannte, während die kaiserliche Belehnung mit den den Kirchenfürsten als Landesherren zustehenden Regalen als Ausfluß der weltlichen Hoheitsrechte von der Kirche anerkannt wurde. Auf dem Konzil von Konstanz suchten die Fürsten durch spezielle Konkordate die kirchlichen Verhältnisse ihrer Länder besser zu ordnen und die staatlichen Rechte genauer festzustellen (sogen. Konkordate deutscher Nation vom 2. Mai 1418). Auch Papst Eugen IV. wurde noch genötigt, in den sogen. Fürstenkonkordaten den Forderungen der weltlichen Gewalten nachzugeben (1447). Kaiser Friedrich III. aber gab in dem Wiener oder Aschaffenburger K. von 1448, das fast in allen einzelnen Gebieten des Reiches durch Separatverträge eingeführt wurde, alle schwer errungenen Rechte wieder an Papst Nikolaus V. preis. Ähnlich ging es in Frankreich. Durch die Pragmatische Sanktion von Bourges (1437) hatte Karl VII. die Rechte der gallikanischen Kirche feierlich festgestellt; Franz I. gab sie in dem mit Leo X. abgeschlossenen K. von Noyon (1516) wieder mehrfach preis. Weiter wurden während des 17. und 18. Jahrh. Konkordate abgeschlossen mit Sardinien, Portugal, Spanien, Polen, Sizilien, Mailand etc.

Eine hervorragende Bedeutung nehmen die Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche im Staatskirchenrecht des 19. Jahrh. ein. Im Unterschied von den Zirkumskriptionsbullen (s. d.) bezeichnet man jetzt als K. nur noch diejenigen Vereinbarungen, die eine prinzipielle Ordnung des gesamten Verhältnisses von Staat und Kirche in einem bestimmten Staatsgebiet enthalten. Das erste K. dieser Art ist das zur Restauration der katholischen Kirche Frankreichs zwischen [397] Napoleon als Erstem Konsul und Papst Pius VII. 1801 abgeschlossene K., auf dem bis heute der Rechtszustand in Frankreich beruhte. Das belgische K. (1827) ist lediglich eine Wiederholung des Napoleonischen von 1801. Von deutschen Staaten schloß nur Bayern mit dem römischen Stuhl ein K. ab (1817). Es wurde jedoch als solches nicht publiziert, sondern erst im folgenden Jahre (1818), und zwar beschränkt durch das sogen. Religionsedikt; beide, K. und Religionsedikt, sind Bestandteile der bayrischen Staatsverfassung, jedoch so, daß primär stets das die Staatshoheit energisch, wenn auch nicht ausreichend wahrende Religionsedikt zu gelten hat, das K. aber nur dann und da, wann und wo es mit jenem nicht in Widerspruch steht. Württemberg hatte 1857 und Baden 1859 ein K. mit Rom abgeschlossen, beide wurden jedoch von den Volksvertretungen mit Entschiedenheit zurückgewiesen und daraufhin in beiden Ländern die Verhältnisse der katholischen Kirche durch Staatsgesetz geordnet. Von den schweizerischen Diözesen wurde die Neuorganisation des Bistums Basel durch das K. von 1828, die des Bistums St. Gallen durch das K. von 1845 geregelt. Von neuern Konkordaten sind vorzüglich zu nennen: das spanische von 1851 und das österreichische von 1855, beide den römischen Forderungen viel nachgebend; das österreichische K., in seinen wichtigsten Bestimmungen bereits vorher mehrfach von Staatsgesetzen durchbrochen, ward 1870 einseitig von Staats wegen formell gekündigt, und die Verhältnisse der katholischen Kirche wurden durch Staatsgesetz geregelt. Endlich hat der römische Stuhl noch mit einer Anzahl von mittel- und südamerikanischen Staaten Konkordate abgeschlossen, die ausnahmslos den römischen Ansprüchen günstig sind. – Prinzipiell sind vom Standpunkt der modernen Staatsanschauung aus die Konkordate zu verwerfen, da der souveränen Stellung der Staatsgewalt nur die einseitig gesetzliche Regelung auch der kirchlichen Verhältnisse der katholischen Untertanen entspricht und bei der grundsätzlichen Ablehnung der staatlichen Überordnung seitens der katholischen Kirche eine prinzipielle Vereinbarung des Staatskirchenrechts immer nur zu dem Erfolge führen muß und erfahrungsgemäß führt, daß der Staat wesentlicher Souveränitätsrechte zugunsten der »Kirchenfreiheit« sich entäußert. Vgl. Balve, Kirche und Staat in ihren Vereinbarungen (2. Aufl., Regensb. 1881); Bornagius, Über die rechtliche Natur der Konkordate (Leipz. 1870); Mejer, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage (3 Tle., Rost. 1871–74 u. Freib. 1885) und Die Konkordatsverhandlungen Württembergs vom Jahre 1807 (Stuttg. 1859); Jacobson, Über das österreichische K. (Leipz. 1856); v. Sicherer, Staat und Kirche in Bayern 1799–1821 (Münch. 1874); Hinschius in Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts«, Bd. 1, S. 271; Séché, Les origines du concordat (Par. 1894, 2 Bde.); Mathieu, Le concordat de 1801 (das. 1903); L. König, Pius VII. Die Säkularisation und das Reichskonkordat (Innsbr. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 397-398.
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