Retz [2]

[835] Retz (Rais, spr. rǟß oder rǟ), 1) Gilles de Laval, Baron von, Marschall von Frankreich, geb. 1404 in Machecoul, gest. 25. Okt. 1440, zeichnete sich unter Karl VII. im Kriege gegen die Engländer aus, erhielt den Marschallstab, zog sich aber 1433 auf sein Schloß in der Gegend von Nantes zurück, wo er glänzenden Hof hielt, sich der Alchimie ergab und viele Knaben und Mädchen teils seinen unnatürlichen Gelüsten, teils seinem Aberglauben opferte (s. Blaubart). Er ward zum Feuertode verurteilt. Ein Manuskript über diesen Prozeß befindet sich in dem Archiv der Präfektur zu Nantes. Vgl. Bossart, Gilles de Rais, maréchal de France, dit Barbe-Bleue (Par. 1886).

2) Albert de Gondi, Baron von, geb. 4. Nov. 1522 in Florenz, gest. 12. April 1602 in Paris, wurde 1547 von Katharina von Medici an den französischen Hof gezogen, erwarb durch Heirat die Baronie R., nahm an mehreren Kriegen Frankreichs mit Auszeichnung teil, ward 1573 zum Marschall von Frankreich ernannt, übte unter Heinrich III. großen Einfluß und ergriff dann die Partei Heinrichs IV.

3) Jean François Paul de Gondi, Kardinal von, Großneffe des vorigen, geb. 1614 in Montmirail-en-Brie, gest. 24. Aug. 1679 in St.-Denis; seit 1643 Doktor der Theologie an der Sorbonne, ward er Koadjutor des Erzbischofs von Paris, seines Onkels Henri de Gondi, und bald dessen Nachfolger. Durch scheinbaren Eifer in seinem Amte, durch Beredsamkeit und liebenswürdiges Benehmen erlangte R. beim Volke große Beliebtheit. Da er sich mit Mazarin verfeindet hatte, stellte er sich 1648 an die Spitze des Aufstandes der Fronde. Obwohl inzwischen zum Kardinal ernannt, wurde er nach Bewältigung des Aufstandes 1652 verhaftet und brachte 18 Monate im Gefängnis zu, bis er entwich. Er irrte nun durch ganz Europa, bis ihm nach Mazarins Tode die Rückkehr nach Frankreich 1664 verstattet wurde. R. entsagte seinen Ansprüchen auf das Erzbistum Paris, erhielt dagegen den Titel eines Abbés von St.-Denis und lebte in großer Zurückgezogenheit den Wissenschaften. Sein Hauptwerk sind die »Mémoires« (1717; beste Ausg. von Champollion-Figeac, zuletzt 1901, 4 Bde.), welche die Ereignisse und Persönlichkeiten der Zeit geistvoll und interessant, wenngleich parteiisch, schildern. Eine vollständige Ausgabe der »Œuvres du cardinal R.« besorgten Feillet Gourdault und Chantelauze (Par. 1872–88, 9 Bde.; Bd. 10: »Lexique de la langue du cardinal R.«, von Regnier, 1896). Vgl. Curnier, Le cardinal R. et son temps (Par. 1863, 2 Bde.); Topin, Le cardinal de R., son génie et ses écrits (3. Aufl., das. 1872); Chantelauze, Le cardinal de R. et l'affaire du chapeau (das. 1878, 2 Bde.) und Le cardinal de R. et ses missions diplomatiques à Rome (das. 1879); Gazier, Les dernières années du cardinal de R. (das. 1876); Normand, Le cardinal de R. (das. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 835.
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