Talsperre

[299] Talsperre (Staudamm, hierzu Tafel »Talsperren I«, mit Text, und Tafel II), ein widerstandsfähiger, unter Umständen wasserdichter Damm aus Erde oder Gemäuer (s. Textabbildungen und Fig. 15 der Tafel I) quer über den Lauf eines Wildbaches, um das Geschiebe zurückzuhalten (Tafel II, Fig. 2) und die Ausnagung tief eingeschnittener Rinnen (Runsen) zu hemmen, die das Nachstürzen der Tallehnen verursachen (vgl. v. Seckendorff, Verbauung der Wildbäche, Wien 1884; Wang, Grundriß der Wildbachverbauung, Leipz. 1901).

Kleine Waldbachtalsperre (Barre) aus Trockenmauerwerk. 1:750.
Kleine Waldbachtalsperre (Barre) aus Trockenmauerwerk. 1:750.

Andre Bauwerke dieser Art bilden Wehre in größtem Maßstab und dienen dazu, ein Tal abzusperren und fließende Gewässer aufzustauen, so daß künstliche Seen entstehen (Staubecken, Stauweiher, Sammelteiche) zur Gewinnung von Nutzwasser für die Landwirtschaft oder die Gewerbe, für die Wasserversorgung von Städten und für die Speisung von Schiffahrtskanälen, ausnahmsweise zur Abwendung gefährlicher Überschwemmungen. Zur Anlage von Stauseen eignen sich am besten geräumige,[299] unbebaute Talbecken mit wasserdichtem Grunde, die talabwärts sich verengern, so daß die T. möglichst kurz ausfällt. An der Baustelle der T. muß fester, dichter Untergrund vorhanden sein, der die Last des Bauwerkes sicher trägt und Durchquellungen und Unterspülungen verhindert. Die Sperrwerke müssen sehr sorgfältig hergestellt und gewissenhaft unterhalten werden, da ein Sperrenbruch die plötzliche Entleerung des Staubeckens und schreckliche Verwüstungen der talabwärts gelegenen Ländereien und Ortschaften zur Folge hat. Der Bruch des Staudammes oberhalb Johnstown in Pennsylvanien zerstörte 1889 ganze Teile der Stadt, wobei 4000 Menschen umkamen. Am 27. April 1895 brach die 1879–81 erbaute Staumauer bei Bouzey (Tafel I, Fig. 12), in der Nähe von Epinal. Die aufgestaute Wassermenge von etwa 7 Mill. cbm ergoß sich in kaum einer halben Stunde. Vier Ortschaften wurden teilweise zerstört, zahlreiche Häuser fortgerissen, die Eisenbahnlinien überschwemmt; viel Vieh ertrank und über 100 Menschen kamen in den Fluten um. Im Deutschen Reiche wurden zuerst durch H. Fecht 1875 (s. dessen Abhandlung: »Über die Anlage von Stauweihern in den Vogesen«, Berl. 1889) größere Stauweiheranlagen entworfen »zum Zwecke der Verstärkung der Niederwasserstände der Flüsse im Interesse einer wirksamern Ausnutzung derselben für Gewerbe und Ländwirtschaft«. Sein Stausee im Alfeld ist 1888 in Betrieb gesetzt worden. Er faßt 1,100,000 cbm. Die Staumauer hat 255 m Länge und 23 m größte Höhe. Vom Jahre 1888 an hat O. Intze in Aachen zahlreiche Talsperrenanlagen in Rheinland und Westfalen ausgeführt (s. dessen Schrift »Entwickelung des Talsperrenbaues in Rheinland und Westfalen von 1889–1903«, Aachen 1903). Den Anfang machte die Anlage zur Versorgung der Stadt Remscheid, die 1891 vollendet wurde. Das Sammelbecken hat 1 Mill. cbm Inhalt. Die größte Höhe der Mauer beträgt 25 m, ihre Länge 160 m. Das bedeutendste Werk Intzes ist die T. im Urfttale bei Gemünd in der Eifel (Tafel I, Fig. 13 u. 14, und Tafel II, Fig. 3). Die Mauer hat eine größte Höhe von 58 m und eine Länge von 228 m. Der durch sie gebildete Stausee von 45,500,000 cbm Inhalt ist bis jetzt der größte in Europa. Er dient zur Schaffung einer Wasserkraftanlage von 6400 Pferdestärken in 7200 Arbeitsstunden jährlich bei Heimbad an der Ruhr für die Abgabe von elektrischer Kraft und Licht, ferner zur Erhöhung des Niederwassers der Ruhr um etwa 7 cbm sowie zur Verminderung ihrer größten Hochfluten um etwa 100 cbm sekundlich. – Über die Konstruktion einiger der wichtigsten Talsperren s. die Tafeln mit Beschreibung. Vgl. Borchardt, Die Remscheider Stauweiheranlage sowie Beschreibung von 450 Stauweiheranlagen (Münch. 1897); Ziegler, Der Talsperrenbau (Berl. 1900); Mattern, Der Talsperrenbau und die deutsche Wasserwirtschaft (das. 1902); Humann und Abshoff, Die Talsperren und ihre Einwirkung auf die allgemeine Wasserwirtschaft (Jena 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 299-300.
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