Transfusion

[664] Transfusion (lat.), Überführung von frischem lebensfähigen Blut eines gesunden Menschen in das Gefäßsystem eines Kranken nach lebensgefährlichem Blutverlust oder nach tiefgreifender Beeinträchtigung der Lebensfähigkeit der Blutkörperchen, wie z. B. nach Kohlenoxydvergiftung. Die T. wurde zuerst 1667 von Denis ausgeführt, geriet aber bald in Mißkredit und wurde vom Parlament und vom Papst verboten. Im zweiten und dritten Jahrzehnt des 19. Jahrh. führten sie Blundell und Dieffenbach wieder in die Praxis ein, ohne aber besondern Erfolg zu erzielen. Erst nachdem Hasse-Nordhausen mit Erfolg direkt Lammblut in das Venensystem des Menschen übergeleitet hatte, nahm man sich der T. wieder an. Die viel geübte T. von Tierblut ist indes jetzt gänzlich verlassen worden, da sie schweren Schaden bringen kann durch Gerinnungen in den Blutgefäßen des blutempfangenden Kranken und durch teilweise Auflösung der artfremden Blutzellen durch Hämolysinbildung (s. Immunität, S. 774). Man wendet die T. an nach schweren Blutverlusten bei Entbindungen, Verletzungen, Operationen, bei Kohlenoxydvergiftung und bei schwerster Blutarmut (perniziöser Anämie). Sorgfältig zu vermeiden ist die Einführung von Fibringerinnseln und Luftblasen, die plötzlichen Tod herbeiführen können. Zur Ausführung der T. wird einem gesunden, kräftigen Menschen ein Aderlaß von 200–250 g gemacht, das in einem reinen Glas aufgefangene Blut wird gequirlt, bis keine Abscheidungen mehr erfolgen, und darauf durch saubere seine Leinwand filtriert, um die abgeschiedenen Fibrinflocken zu entfernen. Nunmehr wird bei dem Kranken eine Vene, gewöhnlich eine oberflächliche Armvene, freigelegt und geöffnet. Bei Kohlenoxydvergiftung muß dem Patienten vor der Einspritzung des neuen Blutes ein entsprechendes Quantum eignen Blutes entzogen werden, um einen Teil der für die Atmung untauglichen und giftigen Verbindung von Kohlenoxyd und Blutfarbstoff zu entfernen. Das neue Blut wird in eine Spritze aufgesogen und vermittelst einer in das geöffnete Venenlumen eingeführten seinen Kanüle in das Gefäß langsam und vorsichtig eingespritzt. Aveling, Landois und Roussel haben Apparate angegeben, um das Blut direkt aus der Vene des spendenden Individuums in die des Kranken überzuleiten, doch ist dieses kompliziertere Verfahren entbehrlich. Wird die T. rechtzeitig ausgeführt, so hebt sich bei dem durch Blutverlust lebensgefährlich geschwächten Kranken der Puls bald wieder, die Leichenblässe des Gesichts schwindet, und das Bewußtsein kehrt wieder; der Kohlenoxyd vergiftete erwacht allmählich aus seinem tiefen Sopor und geht, wenn auch oft langsam, der Genesung entgegen. Seitdem man weiß, daß bei akuten Blutverlusten die gute Wirkung der T. nicht auf den dem Kranken zugeführten Blutkörperchen, sondern vor allem auf der bessern Füllung des Kreislaufsystems beruht, hat man an Stelle der T. die Infusion von 200–1000 ccm Kochsalzlösung (0,6 Proz.), die in 15–60 Minuten in das Unterhautzellgewebe eingeführt werden, gesetzt. Autotransfusion hat man die bei schwerem Blutverlust oft nützliche stärkere Blutfüllung der Gefäße des Rumpfes und Kopfes genannt, die man durch straffe Bindeneinwickelung der Gliedmaßen und dadurch bewirkte Blutverdrängung erzielt. Vgl. Gesellius, Die T. des Blutes (Petersb. 1873); Landois, Die T. des Blutes (Leipz. 1875); Berns, Beiträge zur Transfusionslehre (Freiburg 1874); Hasse, Lammbluttransfusion beim Menschen (Petersb. 1874); v. Bergmann, Die Schicksale der T. im letzten Dezennium (Berl. 1883); Bruine Ploos van Amstel, T. und Infusion (Wien 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 664.
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