Urkundenlehre

[962] Urkundenlehre (Diplomatik), die Lehre von den Urkunden (s. d.), deren Kritik und Interpretation ihr, als einer der vornehmsten Hilfswissenschaften der Geschichte, obliegt. In ein wissenschaftliches System hat die Lehre von den Urkunden zuerst gebracht der Mauriner Dom Jean Mabillon (gest. 1707) in seinem grundlegenden Werke »De re diplomatica libri VI« (Par. 1681; 2. Ausg. 1709; 3. Ausg. 1789). Seinem Vorgange folgten der Orden der Mauriner und seit dem Anfang des 18. Jahrh. die École des chartes in Paris. In Deutschland wie in Italien ist diese Wissenschaft der Mauriner maßgebend geblieben und hier und da sogar in ein geistloses System ausgeartet, bis sie in unsrer Zeit durch Th. Sickel und seine Schüler zu neuer Blüte gebracht worden ist. Vgl. Mabillon (s. oben); (Dom Toustain und Dom Tassin) Nouveau traité de diplomatique (Par. 1750–65. 6 Bde.; deutsch von Adelung, Erfurt 1759–69, 9 Bde.); Th. Sickel, Acta Karolinorum (Wien 1867, 2 Bde.); J. Ficker, Beiträge zur U. (Innsbr. 1877 bis 1878, 2 Bde.); H. Breßlau, Handbuch der U. (Leipz. 1888); A. Giry, Manuel de diplomatique (Par. 1894). Die beste Vorstellung von den deutschen Kaiserurkunden gibt das großartige Faksimilewerk von H. v. Sybel und Th. Sickel: Kaiserurkunden in Abbildungen (Berl. 1880–91); Thommen, Schmitz-Kallenberg und Steinacker, Diplomatik (in Meisters »Grundriß der Geschichtswissenschaft«, Bd. 1, Leipz. 1906); Erben, Schmitz-Kallenberg und Redlich, Urkundenlehre (1. Teil, München 1907); »Archiv für Urkundenforschung« (hrsg. von Brandi, Breßlau u. Tengl, Leipz. 1907 ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 962.
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