Veredelung

[45] Veredelung (hierzu Tafel »Veredelung der Gehölze« mit Text), ungeschlechtliche Vermehrungsweise holzartiger oder halbholziger Gewächse, die durch Samen oder Stecklinge nicht vervielfältigt werden können. Die Kulturvarietäten der Obst- und Zierbäume geben aus ihren Samen für gewöhnlich nur Wildlinge. Die ausländischen Ziergehölze, von denen Samen gar nicht zu erhalten sind, wachsen oft aus Stecklingen nicht, man setzt deshalb kleine, entwickelungsfähige Sprosse oder auch nur Augen (Knospen) derselben auf geeignete Unterlagen, d. h. Wildlinge oder leicht wurzelnde Stecklinge naheverwandter Arten, so auf, daß die Unterlage das aufgesetzte Reis (Edelreis) dauernd ernähren kann. Die Unterlage verändert die charakteristischen Eigenschaften des aufgesetzten Reises im allgemeinen nur wenig und meist nur in der Richtung einer Wachstumssteigerung oder -Verringerung infolge vermehrter oder verringerter Nährstoffzufuhr. Bei der V. muß eine innige Verbindung der Leitgewebe der Unterlage mit den entsprechenden Leitgeweben des Reises herbeigeführt werden. Das kann nur mittels mehr oder weniger starker Wunden geschehen, und diejenige Veredelungsart ist die beste, welche die kleinsten Wunden erfordert, bez. die rascheste und vollkommenste Heilung sichert. Eine Verwachsung zwischen Unterlage und Reis bis zur vollständigen Verwischung der Grenzen der Holzkörper findet nicht statt; selbst die Kambialschichten verwachsen mit einer Trennungsschicht. Äußere Einflüsse können oft nach Jahren noch eine saubere Trennung des Reises von der Unterlage herbeiführen (Abstoßen der vollständig gesunden Krone in voller Belaubung, z. B. von Pfirsich auf Zwetsche u. a.). Die sehr enge Verbindung der Nährgewebe geht niemals so weit, daß eine Verschmelzung der Eigenschaften von Unterlage und Reis stattfände. Die Existenz sogen. Pfropfbastarde ist nicht sicher verbürgt. Nahe Verwandtschaft bedingt nicht immer ein gutes Verwachsen der V., Apfel und Birne vereinigen sich schlecht miteinander, aber Weißdorn und Eberesche gut, Birne und Quitte ebenfalls etc. Frühe und späte Sorten derselben Art gedeihen oft nicht dauernd auseinander. Starkwüchsige Sorten werden manchmal mit Vorteil auf schwachwüchsige Sorten derselben Art veredelt, indem sie dadurch vorzeitig zum Fruchttragen gebracht werden; oft aber stirbt auch das starkwüchsige Edelreis auf der schwachwüchsigen Unterlage an Nahrungsmangel. Immergrüne Gehölze wachsen oft leicht auf laubabwerfenden Arten derselben Gattungen. Die gärtnerische Praxis des Veredelns ist sehr alt, daher die Methoden auch unzählig. Die heutige Massenvermehrung verwendet die V., weil sie dadurch im allgemeinen rascher starke Pflanzen erzielt als aus Samen oder Stecklingen; sie verwendet auch nur wenige Methoden je nach den obwaltenden Umständen und der Verfassung der Unterlagen und der Reiser. Über die verschiedenen Methoden der V. s. beifolgende Tafel mit Text. Über V. von Kulturpflanzen s. Pflanzenzüchtung. Vgl. Neumann, Kunst der Pflanzenvermehrung (5. Aufl. von Hartwig, Weim. 1886); Teichert, Veredlungskunft (3. Aufl. von Fintelmann, Berl. 1900); Gaucher, Die Veredlungen (2. Aufl., Stuttg. 1891); Olbrich, Vermehrung und Schnitt der Ziergehölze (das. 1899); Sorauer, Populäre Pflanzenphysiologie (das. 1891); Held, Die V. von Obstbäumen und Fruchtgehölzen (das. 1902). – V. von Haustierrassen s. Viehzucht. V. der Gewebe, soviel wie Appretur; V. des Glases, das Schleifen, Polieren, Bemalen, Vergolden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 45.
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