Witebsk [1]

[696] Witebsk, russ. Gouvernement, zu Westrußland gehörig, grenzt an die Gouvernements Pskow, Smolensk, Mohilew, Minsk, Wilna, Kurland und Livland (s. Karte »Westrußland« beim Artikel »Polen«) und umfaßt 45,167,7 qkm (820,3 QM.). Das Land ist im allgemeinen hügelig; in den Niederungen zwischen den Hohen liegen viele Seen und Sümpfe. Der bedeutendste Fluß ist die Düna, die auf einer Ausdehnung von 742 km dieses Gouvernement durchfließt und die schiffbaren Nebenflüsse Mescha, Kasplja und Ulla aufnimmt. Von den mehr als 2500 Seen sind die größten: der Lubahn (an der livländischen Grenze), Rasno, Newel, Sebesh und Oswea. Die Sümpfe[696] nehmen etwa 4000 qkm ein. Vom Areal entfallen 27,2 Proz. auf Äcker, 34,6 auf Wald, 18,6 auf Wiese und Weide, 19,6 Proz. auf Unland. Das Klima ist im westlichen Teile des Gouvernements milder als im östlichen. Die Bevölkerung, die sich 1897 auf 1,489,246 Einw. belief (33 auf 1 qkm), besteht aus Weißrussen (über 60 Proz.), Letten (17,9 Proz.), Juden (11,7 Proz.), Großrussen (5 Proz.), Polen (4 Proz.) und Deutschen (1 Proz.). Der Religion nach gab es 24 Proz. Römisch-Katholische und 61 Proz. Griechisch-Orthodoxe. Haupterwerbszweige sind Ackerbau, Waldwirtschaft und Hausiergewerbe. Die Ernte lieferte 1905 in Tonnen: Roggen 174,627, Gerste 71,537, Hafer 112,520, Kartoffeln 417,576. Von Wichtigkeit ist der Flachsbau, der 1904: 54,380 Hektar einnahm und 13,9 Mill. kg Flachsfaser lieferte. Der Viehstand bezifferte sich 1904 auf 588,000 Rinder, 412,000 grobwollige Schafe, 330,000 Schweine und 252,000 Pferde. Die Industrie ist unbedeutend. Man zählte 1900: 1291 gewerbliche Betriebe mit 6944 Arbeitern und 5 Mill. Rubel Produktionswert, wovon 2,8 Mill. Rubel auf die Verarbeitung von Pflanzenstoffen entfallen. Der Handel, der seinen Hauptsitz in Witebsk und Dwinsk hat, ist besser entwickelt. Das Gouvernement zerfällt in elf Kreise: W., Gorodok, Lepel, Newel, Polozk, Sebesh, Welish, Drissa, Ljuzin, Reshiza und (Dünaburg) Dwinsk, von denen die vier letztgenannten in der Ordenszeit zu Livland gehörten und heute »Polnisch-Livland«, von den Landleuten aber Niflant und Inflant genannt werden. – W., früher ein Teil des Fürstentums Polozk, kam im 14. Jahrh. an Litauen, fiel 1772 bei der ersten Teilung Polens an Rußland, wurde 1796 mit Mohilew zur Statthalterschaft Weißrußland vereinigt, 1802 aber wieder davon getrennt und als eignes Gouvernement organisiert.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 696-697.
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