Wunderlich

[768] Wunderlich, Karl August, Mediziner, geb. 4. Aug. 1815 in Sulz am Neckar, gest. 25. Sept. 1877 in Leipzig, studierte seit 1833 in Tübingen, ging 1837 nach Paris, ward 1838 Assistenzarzt am Katharinenspital in Stuttgart, habilitierte sich 1840 als Privatdozent in Tübingen und ward 1843 außerordentlicher, 1846 ordentlicher Professor und Direktor der Klinik daselbst. Durch eine geistvolle Parallele: »Wien und Paris. Ein Beitrag zur Geschichte und Beurteilung der gegenwärtigen Heilkunde in Deutschland und Frankreich« (Stuttg. 1841), lenkte er die Aufmerksamkeit der weitesten ärztlichen Kreise auf die junge Wiener Schule. 1841 gründete er mit Roser das »Archiv für physiologische Heilkunde«, in dem er für seine neue Richtung auch mit eignen Arbeiten eintrat. In kurzer Zeit gewann er zahlreiche Anhänger, und die physiologische Heilkunde wurde das Stichwort des medizinischen Fortschritts. 1843 begann er sein »Handbuch der Pathologie und Therapie« (Stuttg. 1846–1854, 4 Bde.; 2. Aufl. 1855–57), das sich besonders durch die streng naturwissenschaftliche Methode aus zeichnet. 1850 folgte er einem Rufe nach Leipzig und begann hier seine Untersuchungen über den Fieberprozeß und die Körperwärme der Kranken. Durch zahlreiche Abhandlungen und sein vielfach übersetztes Werk »Das Verhalten der Eigenwärme in Krankheiten« (Leipz. 1868, 2. Aufl. 1870) bewirkte er, daß heute das Thermometer als unentbehrliches Hilfsmittel der Diagnostik bei fiebernden Kranken gilt und der Umfang und die Kenntnis der Fieberlehre eine völlige Umgestaltung erfuhren. W. schrieb noch: »Die Nosologie des Typhus« (Stuttg. 1839); »Versuch einer pathologischen Physiologie des Bluts« (das. 1845); »Grundriß der speziellen Pathologie und Therapie« (das. 1858); »Geschichte der Medizin« (das. 1859). Vgl. Koranyi, Denkrede auf W. (aus dem Ungar., Budap. 1879).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 768.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: