Blumenuhr

[910] Blumenuhr (Pflanzenuhr, Horologium florae), eine Anzahl Pflanzen, die man nach der Zeit, in welcher sie aufblühen, in einer bestimmten Reihenfolge zusammenstellt. Was nämlich die Tagesstunden betrifft, in denen die Blüthen der Pflanzen sich öffnen, so sind diese zwar gewöhnlich bei derselben Art sehr verschieden, so daß man zu jeder Stunde des Tages das Aufbrechen der einen od. anderen Knospe erwarten kann; es gibt jedoch auch einige Pflanzen, die hiervon eine Ausnahme machen u. sich nicht nur zu bestimmten Tagesstunden öffnen (Wachen), sondern sich auch zu einer bestimmten Zeit wieder schließen (Schlafen). Linné brachte die Pflanzen, je nachdem sie sich in Bezug auf das Öffnen nach den Witterungsverhältnissen od. nach der Tageslänge richten od. von beiden nicht abhängig sind, in; 3 Abtheilungen: a) meteorische, welche sich beim Öffnen u. Schließen der Blüthen weniger nach einer gewissen Tageszeit, als nach den Witterungsverhältnissen richten; b) tropische, deren Blüthen sich täglich des Morgens öffnen u. des Abends schließen u. sich dabei nach der Länge des Tages richten, also nicht immer zu bestimmten Stunden sich öffnen u. schließen; u. c) Äquinoctial- (Nachtgleiche-) Pflanzen, deren Blüthen sich stets zu einer bestimmten Stunde auf- u. zuthun. Hat man z.B. eine hinreichende Menge der 3. Abtheilung aufgefunden u. beobachtet, u. zwar für jede Stunde des Tages einen od. mehrere so[910] kann man diese Pflanzen nach den Stunden ihres Öffnens an einen passenden Ort zusammenstellen u. so hat man eine B. Schon Linné kam auf die Idee, eine solche Uhr in seinem Garten zu Upsala aufzustellen. Später fand man aber noch manche Pflanze auf, die sich auch zur B. eignet. Um sich nun eine solche Uhr einzurichten, sei es nun in einem Zimmer, auf einem Balkon od. im Garten, so reicht für jede Stunde eine dieser Pflanzen hin. Man stellt sie, der Sonne hinlänglich ausgesetzt, in Blumentöpfen auf od. pflanzt sie auch im Garten auf einem freien von der Sonne beschienenen Platze, geordnet nach den Stunden, in denen sie aufblühen, am besten in einem Kreise, wie die Zahlen auf dem Zifferblatte einer Uhr. Zu den Pflanzen, die zu bestimmter Zeit ihre Blüthen öffnen, gehören: a) Pflanzen, deren Blüthen sich Vormittags öffnen, von 3–5 Uhr: Wiesenbocksbart (Tragopogon pratensis); von 4–5 Uhr: die knollige Thrinzie (Thrincia tuberosa s. Leontodon tuberosum), der otterköpfige Wurmlattich (Helminthia s. Picris echioides), die gemeine Cichorie (Cichorium Intybus), die braunrothe Taglilie (Hemcrocallis fulva) u. das kleine od. Dachhabichtskraut (Crepis tectorum); 4–6 Uhr: der tangerische Bittertattich (Picridium tingitanum); 5–6 Uhr: die Kohlgänsedistel (Sonchus oleraceus), der gemeine Löwenzahn (Leontodon Taraxacum), die Alpengrundfeste (Barkhausia alpina), der crocusblätterige Bocksbart (Tragopogon crocifolius), der eßbare Sichelsalat (Rhagadiolus edulis) u. die Zaunwinde (Convolvulus sepium); 6–7 Uhr: Mauerhabichtskraut (Hieracium murorum), die rothe Grundfeste (Barkhausia rubra), die Acker- u. Sumpfgänsedistel (Sonchus arvensis u. palustris); 6–8 Uhr: das buchtige Steinkraut (Alyssum sinuatum) u. der Herbstlöwenzahn (Leontodon autumnalis); 7–8 Uhr: der Staudensalat (Lactuca sativa). die weiße Seerose (Nymphaea alba), die ästige Zaunlilie (Anthericum ramosum), das abgebissene Habichtskraut (Hieracium praemorsum), die Alpengänsedistel (Sonchus alpinus), das gefleckte Ferkelkraut (Hypochaeris maculata), das rheinkohlartige Röhrchenkraut (Hedypnois rhagadioloides) u. die bärtige Zaserblume (Mesembryanthemum barbatum); 8–9 Uhr: Mäuseohrhabichtskraut (Hieracium Pilosella), Ackergauchheil (Aragallis arvensis), die sprossende Nelke (Dianthus prolifer) u. das glatte Ferkelkraut (Hypochaeris glabra); 9–10 Uhr: die Ackerringelblume (Calendula arvensis), der gemeine Portulak (Portulaca oleracea, nach Anderen um 11 Uhr); 9–11 Uhr: der rundblätterige Sonnenthau (Drosera rotundifolia); 10–11 Uhr: das rothe Sandkraut (Alsine rubra), die Eispflanze (Mesembryanthemum crystallinum), die zungenförmige Zaserblume (Mesembr. linguiforme), der nacktstängelige Mohn (Papaver medicaule). die gelbe Taglilie (Hemerocallis flava); 11–12 Uhr: der doldige Milchstern (Ornithogalum umbellatum), die wucherblumenblätterige Ringelblume (Calendula chrysanthemifolia) u. die Tigerlilie (Tigridia Pavonia); b) Pflanzen, deren Blüthen sich Abends öffnen, um 5 Uhr: die gemeine Wunderblume (Mirabilis Jalappa), der Trauer-Kranichschnabel (Pelargonium triste); von 6–7 Uhr: der großblumige Cactus (Cereus grandiflorus); 7–8 Uhr: die nächtlich blühende Zaserblume (Mesembr. noctiflorum, nach Anderen von 10–11 Uhr); c) Pflanzen, deren Blüthen sich Vormittags schließen: um 8 Uhr: Leontodon Taraxacum; 10 Uhr: Picridium tingitanum u. Lactuca sativa; von 10 bis 12 Uhr: Cichorium Intybus u. Sonchus arvensis, um 11 Uhr: Tragapogon crocitolins; 11–12 Uhr: Sonchus oleraceus: um 12 Uhr: Sonchus alpinus; d) Pflanzen, welche sich Nachmittags od. Abends schließen: von 1–2 Uhr: Hieracium umbellatum u. Barkhausia rubra; um 2 Uhr: Helminthia echioides, Hieracium murorum, Hypochaeris maculata u. Hieracium praemorsum; 2–3 Uhr: Alsine rubra;. – 4 Uhr: Anthericum ramosum; 4 Uhr: Alyssum sinuatum u. Nymphaea alba; 5 Uhr: Thrincia tuberosa, Anagallis arvensis, Calendula arvensis u. chrysanthemifolia; 7 Uhr: Leontodon autumnalis; 7–8 Uhr: Papaver nudicaule, u. um 12 Uhr (Mitternacht): Cereus grandiflorus. So hat man eine Art Zeitzeiger, welcher in den längsten Tagen die Stunden von früh 4 bis Abends 8 Uhr angibt. Dabei ist zu beachten, daß die Dauer des Schlafens u. Wachens nach der Länge des Tages u. nach der Witterung sich richtet. Ist die Nacht kurz, so ist auch ihr Schlaf von kürzerer Dauer; wenn daher eine solche Blume im Sommer schon vor 4 Uhr Morgens erwacht, so wird sie nach einigen Wochen erst gegen 5 Uhr erwachen u. weiterhin noch später. Andere beginnen zwar gewöhnlich ihr Schlafen u. Wachen zur bestimmten Stunde, aber nur, wenn die Luft heiter u. kein Regenwetter zu besorgen ist.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 910-911.
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