Erdwärme

[838] Erdwärme, 1) im Allgemeinen die Wärme der Erdoberfläche; auch 2) die des festen Landes im Gegensatze zu der des Wassers. Sie hängt mit der Temperatur der Atmosphäre zusammen, hat zur alleinigen Ursache die Sonne u. dringt in das Erdinnere nur bis zu einer gewissen Tiefe, bis wohin die Temperaturschwankungen wirken, u. es folgt dann eine Schicht constanter Temperatur. Diese Tiefe ist für verschiedene Orte sehr verschieden. In Deutschland verschwinden die täglichen Schwankungen schon bei einer Tiefe von etwa 15/6 Fuß, die jährlichen eben daselbst in etwa 76 Fuß Tiefe, im tropischen Südamerika schon bei etwa 11/2 Fuß Dringt man noch weiter in die Erde ein, so nimmt[838] die Wärme zu. Diese Wärme ist der Erde eigenthümlich, u. diese nennt man zum Unterschiede von der derselben durch die Sonne mitgetheilten Temperatur bes. 3) E. im engeren Sinne (Centralwärme, Centralfeuer). Die Wärme der Artesischen Brunnen, Versuche über die Temperatur des Gesteins in den Bergwerken u. bes. die vulkanische Thätigkeit der Erde bezeugen die Zunahme der Wärme für sehr beträchtliche Tiefen. Die Zunahme der unterirdischen Wärme folgt nicht überall nach demselben Gesetze. Beobachtungen nach Arago's Methode (durch Bohrung Artesischer Brunnen diese Größe zu ermitteln) haben sie auf 91._– 98 Fuß angegeben; nach Reichs Arbeit (über die Temperatur des Gesteins in verschiedenen Tiefen des Sächsischen Erzgebirges) ist 128 Fuß. Der Grund dieser Erscheinung ist die primitive Wärme der E., die sich nach dem Zeugnisse der alten Eruptivgesteine u. der noch thätigen Vulkane im Innern in feurig flüssigem Zustande befindet. Wie tief aber unterhalb der Oberfläche dieser Zustand beginne, läßt sich bestimmt nicht angeben. Befolgte die Wärmezunahme fort u. fort ein arithmetisches Verhältniß, so würde eine Granitschicht in der Tiefe von 6 Meilen geschmolzen sein. Die primitive E., welche nach der Ansicht der jetzigen Geologen ehemals unseren ganzen Planeten in feurig flüssigem Zustande erhielt, hat seitdem in Folge der Ausstrahlung in dem Weltenraume abgenommen u. durch die Abkühlung hat sich über dem flüssigen Kerne eine starke Kruste gebildet. Gegenwärtig hat diese säculare Erkaltung des Erdkörpers nach Fóuriers Berechnung aufgehört eine meßbare Größe zu sein, da das Wenige, was die Centralwärme noch an die Oberfläche abgibt, durch die Wärmezustrahlung der Sonne ausgeglichen wird. Der Ansicht von der E., die zuerst von Leibnitz u. Buffon unter dem Namen Centralfeuer aufgestellt wurde, wird jetzt, nachdem sie von Fourier, Biot, Laplace u. A. neu begründet worden ist, trotz des Widerspruchs von Lyell u. Poisson, von fast allen Geologen gehuldigt. In historischer Zeit hat die Erde keine Temperaturabnahme erlitten; wenigstens ist die Abnahme für uns unmeßbar klein, wie die Veränderung der Rotationsgeschwindigkeit der Erde seit 2000 Jahren u. die Beständigkeit der Verbreitungsgrenzen der Getreidearten, des Weins u. der Datteln zeigen. Es sind daher Befürchtungen wie die, daß die Erde durch fortwährende Erkaltung endlich eine unwirthbare Eismasse werden müsse (Buffon), od. daß dieselbe immer mehr ausdorren u. endlich an der Sonne Feuer fangen werde (Whiston) unbegründet; vielmehr erschwert u. verhindert die erkaltete Rinde die weitere Ausstrahlung der E. Vgl. Bischoff, Wärmelehre des Erdkörpers, Leipzig 1837; Buff, Zur Physik der Erde, Braunschw. 1850.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 838-839.
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