Gelübde

[118] Gelübde (Votum), 1) jedes feierliche Versprechen an Gott, etwas zu thun od. zu lassen, z.B. bei der Taufe, Confirmation, Beichte: 2) Zusage od. Versprechen, ein gewisses willkührliches, von Gott nicht gefordertes Verhalten zur besonderen Verehrung Gottes zu beobachten. Bei den Hebräern waren die G. Versprechungen, dem Jehovah im Fall einer Gebetserhörung entweder einen Dank darzubringen, od. um des Herrn Willen von irgend einem Genuß od. einer Handlung sich zu enthalten (jene positive, diese negative G.). Das erste G. kommt Gen. 28, 20–22 vor; doch legt das Mosaische Gesetz keinen zu großen Werth auf die G. u. dringt nur auf deren Erfüllung. Man unterscheidet erlaubte u. unerlaubte G. (Vota licita u. illicita). Ein unerlaubtes, bei dem etwas Schlechtes gelobt wurde, findet sich Jerem. 44, 25, Richt. 11 u. Apostg. 23, 14, ein erlaubtes Josua 24, 21; doch konnten Vorgesetzte, z.B. der Vater, Gemahl, das G. durch ihr bloßes Wort vernichten. Dasselbe gilt noch jetzt bei den Juden, u. der talmudische Tractat Nedarim enthält viele Bestimmungen hierüber. Ein unbedachtes G. kann durch einen Gelehrten od. drei Personen überhaupt gelöst werden. Am Tage vor dem Versöhnungstage pflegen fromme Juden alle ihre etwa vergessenen G. lösen zu lassen. Eigene Arten von G-n sind die Weihung von Vieh u. dergleichen für den Tempel, welche in gewissen Fällen durch den Geldwerth ersetzt werden konnten. Vgl. Nasiräergelübde. Auch bei den Griechen u. Römern waren G. gewöhnlich. Die G. waren den Letzteren entweder für den Staat gebrachte (Vota publica) od. Privat-G. (Vota privata). Zu diesen gehörten bes. solche, die man dem Genius od. der Juno Lucina am Geburtstag brachte (Vota natalitia); wenn den Knaben, nach zurückgelegten Kinderjahren, das Haupthaar abgeschnitten u. dem Apollo geweiht wurde (Vota capillitia); die G. der Kranken im Fall der Genesung, der Schiffbrüchigen im Fall der Rettung, der Reisenden etc. für glückliches Unternehmen. Bis zur Lösung des G-s wurden dann die Götterbilder, Tafeln, mit dem G. beschrieben (Tabulae votivae, Votivtafeln) umgehängt. Die G. bestanden aus Tempeln, Schauspielen, Opfern, einem Theil der Beute. Unter den römischen Kaisern war es Sitte, jährlich am 3. Jan. öffentliche, feierliche G., sowohl im Lager als auf dem Capitol, für das Wohl des Kaisers darzubringen. Von den Juden u. Heiden kamen die G. in das Christenthum herüber, u. in der Zeitperiode, wo der Clerus eine bevorzugte Stellung einnahm u. wo Klosterwesen, Wallfahrten, Reliquienverehrung in der Blüthe standen, bildete sich die Lehre von den G-n immer weiter aus, so daß die Kirche allmälig eine besondere Lehre von denselben aufstellte u. sich die Auflösung der G. reservirte. Nach ihr ist ein G. 3) eine nach vernünftiger u. reifer Überlegung Gott, der Kirche od. einer frommen Stiftung geleistete Zusage eines guten Werkes auf etwas Gutes sich beziehend u. wirklich zu halten möglich. Die G. selbst wurden hier eingetheilt A) nach ihrem Object in: a) personelle, b) reelle, c) vermischte; B) nach ihrer Form in a) solenne, b) einfache, c) ausdrückliche, d) stillschweigende, e) zeitliche, f) immerwährende; Bischöfe od. der Papst können von G-n dispensiren. Besondere G. waren die Kloster- u. Ordens-G. (s. Kloster- u. Ordensgelübde); desgl. auch das G. der Keuschheit (s. Cölibat). Die G. gingen auch in den Protestantismus über u. fanden lange nicht blos Anhänger, sondern auch gelehrte Vertheidiger; doch hat die neuere christliche Ethik die G. nicht empfohlen, sondern durch bestimmte Regeln erläutert u. dabei festgestellt, daß ein G. nichts Unmögliches betreffe, mit keiner Vorschrift der Religion, keiner Pflicht streite, so viel als möglich gehalten, aber, so bald als man zu besserer Einsicht gelangt, auch wieder aufgehoben werden könne. Neuerlich kamen G. in den Diakonissenanstalten vor.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 118.
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