Das Canonische Recht

[180] * Das Canonische Recht. Der Name kommt von dem griechischen Worte Canon her, womit unter andern die Satzungen der Kirchenversammlungen bezeichnet werden. In den ersten Jahrhunderten nach der Einführung des Christenthums waren die Diener der Kirche der weltlichen Gerichtsbarkeit und den bürgerlichen Gesetzen unterworfen, mithin hatte man da noch kein Kirchenrecht im heutigen Sinne. Da aber späterhin das Ansehen der Geistlichkeit ungemein zunahm, und diese anfing, einen Staat im Staate zu bilden; so war man sehr sorgfältig darauf bedacht, die Schlüsse der ältern Kirchenversammlungen zusammenzutragen, um sich ihrer als einer gesetzlichen Quelle zu bedienen, auf die man sich nöthigenfalles zum Beweis seines Ansehens berufen könnte. Besonders sorgten die Päpste für die Erhaltung der Verordnungen ihrer Vorfahren, die ihnen in Begründung der Hierarchie so treflich vorgearbeitet hatten; und so entstand nach und nach das sogenannte canonische Recht, von dem man mehrere Sammlungen kennt. Diejenige, welche noch jetzt in katholischen Landen die vorzüglichste Entscheidungsquelle für kirchliche Angelegenheiten ist, und selbst bei den Protestanten in vielen Fällen noch zu Rathe gezogen wird, wurde in den finstersten Zeiten des Mittelalters, im 12ten bis 14ten Jahrhundert in Italien zusammengetragen. Sie hat mehrere Theile, worunter [180] sich besonders zwei auszeichnen: 1) das sogenannte Decret des Gratian, d. h. eine Sammlung von kirchlichen Gesetzen, welche der Mönch Gratian aus Concilienschlüssen und andern ältern Werken entlehnte, und 1151 zu Bologna bekannt machte; 2) die Decretalen, worunter man gesammelte Verordnungen der römischen Päpste versteht.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 180-181.
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