Bolivia

[283] Bolivia oder Ober-Peru, ein seit Aug. 1823 bestehender Freistaat in Südamerika, der vorher einen Theil des span. Vicekönigreichs Buenos Ayres oder La Plata ausmachte und sich Bolivia nach seinem Befreier Bolivar (s.d.) nannte, wird im W. vom stillen Meere und Peru, nördl. von Peru, östl. von Brasilien und Paraguay, südl. von der argentinischen Republik und Chile begrenzt. Die Angaben des Flächenraums wechseln zwischen 15,000 und 28,000 ! M. und die der Bevölkerung zwischen 600,000 und 1,200,000 Einw., welche meist aus Peruanern und Indianern und wenig Weißen oder Spaniern und Creolen bestehen. B. ist das höchste Gebirgsland von Südamerika und wird von den Cordilleras de los Andes in zwei parallelen Reihen durchzogen, zwischen denen in über 12000 F. hoch, also höher als die mit ewigem Schnee bedeckten Berggipfel der Schweiz, gelegenen Thälern der größere Theil der Bewohner zusammengedrängt ist. Die westl. Kette der Andes ist vulkanischer Natur und zählt mehre noch thätige Feuerberge, die östl. dagegen besteht aus Übergangsgebirgen und enthält den Nevado de Illimani von 23,940 F., den Nevado de Sorata von 23,650 F. Höhe, die höchsten Gipfel der neuen Welt. Die westl. Küstenstrecke ist sandig, drückend heiß und besonders im S. unfruchtbar, wo die Wüste Atacama B. von Chile trennt; die Hochlande dagegen erfreuen sich eines milden Klimas, gesunder Luft und fruchtbaren Bodens, sind daher auch am besten angebaut. Im O. des Gebirges senkt sich das Land zu den weiten, ungesunden, zum Theil mit Urwald und Sümpfen bedeckten Ebenen von Chiquitos und Moxos hinab, welche fast gänzlich zahlreichen Indianerstämmen überlassen sind, die sie theils umherziehend, theils in Missionen vereinigt bewohnen, welche immer mehr die Gestalt schöner Dörfer und Flecken annehmen. Hauptflüsse sind der Desaguadero, welcher von S. nach N. das Hochthal durchströmt und in den 12,000 F. hoch gelegenen, 250 ! M. großen Titicacasee mündet, welcher zwischen B. und Peru getheilt ist; ferner der Cochabamba, welcher später Mamoré heißt und endlich als Madeira in den Amazonenstrom mündet, und der südl. fließende Pilcomayo. Landesproducte sind Getreide, Reis, Zuckerrohr, Cacao, Wein, Südfrüchte, Farbehölzer, fast alle europ. Hausthiere, Lamas, Guanacokameele, Jaguare, Bären, Alligatoren, die bunte Vögelwelt der heißen Zone u.s.w. Das Mineralreich endlich liefert Gold, vieles Silber, Kupfer, Blei, Zinn, Salpeter, Salz und ist noch ergiebiger als in Peru. Handel und Industrie haben noch keine Bedeutung erlangt, nur der Bergbau hat sich schnell gehoben. Nach der 1826 von Bolivar gegebenen Verfassung bestand die gesetzgebende Versammlung aus drei Kammern und die vollziehende Gewalt war in den Händen eines Präsidenten auf Lebenszeit; über die seitdem eingetretenen Veränderungen fehlen aber bestimmte Nachrichten.

B. wird in die fünf Departements Chuquisaca, La Paz, Cochabamba, Santa Cruz de la Sierra und das wegen seines Reichthums an edlen Metallen berühmte Potosi eingetheilt. Die Hauptstadt des Landes, Chuquisaca, sonst Charcas und La Plata genannt, liegt in einer prächtigen Gebirgsgegend an 10,000 F. über dem Meere, ist regelmäßig gebaut und hat 26,000 Einw. Der früher erzbischöfliche Palast ist jetzt die Wohnung des Präsidenten und die schönen Gebäude ehemaliger Klöster werden jetzt von der Universität, der 1826 errichteten Gewerbs- und Bergwerksschule und von andern Bildungsanstalten benutzt. Andere wichtige Orte sind Potosi mit 30,000 Einw., in rauher Gebirgsgegend am Fuße des berühmten Erzberges gelegen, auf dem 15,900 F. hoch noch Gruben bearbeitet werden; La Paz inmitten vulkanischer Schneegebirge, mit 20,000 Einw.; Oropesa mit 16.000 Einw. und einigen Fabriken in baumwollenen und andern Waaren; Cochabamba mit 8000 Einw., berühmt durch den Heldenmuth, mit dem sogar. die Frauen seiner Bewohner im Befreiungskriege gegen die Spanier kämpften; und der aufblühende Freihafen La Mar an der öden Küste.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 283.
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