Chile

[410] Chile (spr. Tschile), eine Republik, die einen schmalen Landstrich von etwa 260 M. Länge und 20–40 M. Breite, an der Westküste von Südamerika einnimmt, im N. vom Freistaate Bolivia, im S. vom Lande der Araūcaner, oder, wenn man dies dazu rechnet, vom Meerbusen der Chiloeinseln, westl. vom großen Ocean und östl. von den Cordilleras de los Andes begrenzt wird, die wie eine ungeheure zackige Mauer das Land gegen die Plataprovinzen schließen. Über dieses mit ewigem Schnee bedeckte Gebirge, von dem einzelne Gipfel sich bis zu 18,000 F. erheben, kann man, außer auf einer einzigen einigermaßen eingerichteten Straße, nur mit Gefahr und großer Beschwerde gelangen, weil die übrigen Pfade selbst für Maulthiere oft nicht gangbar sind. Parallel mit dem Hauptgebirgszuge ziehen sich noch zwei Bergketten, die westl. niedriger als die östl., durch das Land, und erst nahe am Meeresgestade fällt der Boden steil ab. Er ist hier meist steinig und kahl, weil es selten regnet und thaut; nur wo die Bergströme fließen, deren man 53 zählt, findet man schönen Pflanzenwuchs und Anbau. Erdbeben sind nicht selten, da in den Gebirgen gegen 14 fortwährend thätige Vulkane gezählt werden, und neuerdings erst sind wieder einige Ortschaften dadurch zerstört worden. Zwar liegt C. nicht mehr unter der heißen Zone, aber die nördl. Gegenden sind derselben noch so nahe, daß hier die Luft sehr mild ist, Regen im Sommer gar nicht, Gewitter und Stürme nur selten vorkommen. Anders ist es im S., wo das Klima dem südeurop. gleicht und an der Küste zuweilen fürchterliche Stürme wüthen.

Das Land ist reich an Gold, das meist aus dem Flußsande gewaschen wird, an Silber, Eisen, Kupfer, Blei und Quecksilber, aber der Bau der Bergwerke wird vernachlässigt; ebenso ist es mit den reichen Salzwerken, und auch der Ackerbau steht auf einer niedrigen Stufe; dennoch gewinnt man viel Weizen und Mais und die Kartoffel scheint hier ihr Vaterland zu haben. Auch Süd- und europäische Früchte sind im Überfluß vorhanden, aber nicht recht schmackhaft, was auch vom Weine gilt. Die gewöhnlichen Hausthiere sind: Pferde, Maulthiere und Rinder; der letzten gibt es so viele, daß mancher Privatmann 3–5000 Stück besitzt. Sie leben, wie die Pferde, zum Theil halb wild in den Wäldern und auf den weiten Weideplätzen, und werden, wenn man ihrer bedarf, mittels des Lasso, d.h. mit Wurfschlingen eingefangen. Das Lama wird nur noch wenig zum Lasttragen gebraucht. Die Wälder und Gebirge sind reich an Papageien, welche in großen Zügen umherschwärmen, Kolibris umsummen die Blumen, Wasservögel bedecken die Gewässer und verzehren die Fische, welche von den Menschen bei dem Überflusse an Fleisch verschmäht werden. Die Einwohner belaufen sich auf eine Mill., sind meist span. Creolen, haben span. Sitten, katholischen Glauben und sind unwissend, abergläubisch und träge, aber höflich und gutmüthig. Außerdem gibt es Farbige, Indianer, die sich meist mit Handwerken und Handarbeiten beschäftigen, Negersklaven und im südl. Theil des Landes den kleinen Indianerstamm der Araūcaner, der stets seine Freiheit behauptet hat. Die höchste Macht in der Republik hat der Congreß, der aus dem Senate und den Repräsentanten besteht; an der Spitze steht ein Präsident. C. wird in die acht Provinzen Coquimbo, Concepcion, Maule, San-Jago, Colchagua, Valdivia und Chiloe eingetheilt; Hauptstadt des Landes ist San-Jago mit 15,000 Einw., der Sitz des Congresses, eines Bischofes und einer Universität, 20 M. vom Meere an der großen Straße gelegen, welche von der wichtigsten Hafenstadt der Küste, von Valparaiso, mit 15,000 Einw., nach Buenos Ayres (s.d.) führt. Auch Concepcion mit 10,000 Einw., am Biobio und eine Stunde vom Meere gelegen, treibt ziemlich lebhaften Seehandel, und außerdem sind zu bemerken: Coquimbo; der gut befestigte Hafenplatz Valdivia im Lande der Araūcaner; Chiloe, die größte des zu C. gehörenden und aus 80 Inseln bestehenden sogenannten Chiloearchipels, mit 25,000 Einw., und die Insel Juan-Fernandez, auf welche 1704 ein ungehorsamer engl. Matrose, Alex. Selkirk, ausgesetzt und dadurch die Veranlassung zu dem berühmten Buche »Robinson Crusoe« wurde. Später ward ein Fort auf derselben errichtet und seit 1821 ist sie der Aufenthalt Verbannter und Staatsgefangener. [410] Nachdem die Spanier sich Perus bemächtigt hatten, griffen sie 1535 auch C. an, konnten sich aber erst nach zehn Jahren desselben bis zum Biobio bemächtigen, wo ihr weiteres Vordringen durch die Tapferkeit der Araūcaner gehemmt ward. Spanien blieb seitdem im Besitz des Landes, dis es sich 1810 der Herrschaft desselben entzog; zwar erlaubte die Uneinigkeit der Chilesen 1814 den Spaniern, sich von Neuem der Obergewalt zu bemächtigen, allein 1818 wurde derselben durch den Beistand des freien Buenos Ayres für immer ein Ende gemacht und C. hat sich seitdem als Republik behauptet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 410-411.
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