Guerrillas

[296] Guerrillas (die) sind eine Eigenthümlichkeit Spaniens, welche sich im Laufe der Kriege mit Spanien und der wiederholten blutigen Bürgerkriege ausgebildet hat. Das span. Heer, im 16. Jahrh. das beste, war im Laufe der Jahrhunderte zu einem der schlechtesten herabgesunken. Es gebot den Fremden keine Achtung mehr; der ritterliche Geist, von welchem beseelt, es einst so große Thaten vollbracht, war verschwunden. Im Kriege mit Napoleon wurden daher die Spanier, wenn sie es wagten, in offener Schlacht den Franzosen sich gegenüber zu stellen, geschlagen. Die pyren. Halbinsel wird von zahlreichen Gebirgsketten durchzogen, die für jeden mit dem Lande und den Örtlichkeiten nicht hinlänglich Vertrauten unzugänglich sind, dem Eingeborenen aber eine sichere Freistätte gewähren. Hier fanden auch die geschlagenen Heerhaufen sichere Zufluchtsstätten und hier organisirten sie sich, von den Landleuten und den Mönchen unterstützt, aufs Neue. Von einem regelmäßigen Kriege konnte keine Rede sein; jeder zersprengte Hause, sobald er sich in Sicherheit wußte, wählte den Tapfersten und Umsichtigsten aus seinen Reihen zum Befehlshaber und führte nun den Krieg gegen den Feind auf eigene Hand und in einer eigenen Weise. Der Hauptzweck war, den Franzosen so vielen Schaden als möglich zu thun. Die Guerrillas, so hießen diese Haufen bewaffneter Spanier, von dem Worte guerra, Krieg, überfielen einzelne Detaschements, singen Transporte und Depeschen auf, beunruhigten den Feind auf allen Seiten und stoben wie Spreu auseinander, sobald sie auf überlegene Kräfte stießen, um sich bald aufs Neue zu sammeln. Es gab solcher Guerrillasbanden, besonders seit der denkwürdigen Belagerung von Saragossa, 1808, eine große Anzahl. Mehrentheils bestanden sie aus 50–100 Mann, doch sind auch solche aufgetreten, die bis zu 800 Mann und darüber stark waren. Der Schade, welchen sie den Franzosen im Laufe des span. Krieges, besonders seitdem ihnen auf Romana's Befehl Juan Martin Diaz, gewöhnlich der Empecinado genannt, eine zweckmäßige Organisation gab und sie gleichsam mit Einem Geiste beseelte, ist nicht zu berechnen. Von beiden Seiten wurde dieser kleine Krieg mit unerhörter Grausamkeit geführt. Als die Engländer in Spanien einrückten, fanden sie an den Guerrillas die treuesten und nützlichsten Verbündeten, die bis zum Ende des Kampfes sich ununterbrochen thätig bewiesen. Schon damals zeichnete sich unter andern Guerrillaführern der späterhin so berüchtigt gewordene Pfarrer Merino (s.d.) aus. Als im Jahre 1820 die Constitution von 1812 wieder proclamirt ward und die Cortes abermals zusammentraten, wurden von den in ihren Interessen gekränkten Anhängern des unbeschränkten Königthums und den Priestern in manchen Gegenden Spaniens die Bauern fanatisch aufgeregt und bildeten sogenannte royalistische und apostolische Guerrillas, die für Herstellung der absoluten Gewalt König Ferdinand VII. fochten. Ihnen traten constitutionnelle Guerrillas gegenüber, bis im J. 1823 durch die Occupation Spaniens von Seiten der Franzosen dem Kampfe ein Ende gemacht ward. Seit 1834 sehen wir ähnliche Erscheinungen, wie von 1820–23; Gomez, der »Unerreichbare«, ist ein karlistischer Guerrillaführer, der seine Sache ins Große getrieben hat. (Vgl. Spanien.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 296.
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