Karlsbad

[565] Karlsbad ist eine Stadt im elnbogner Kreise des Königreichs Böhmen mit 3000 Einw., welche durch ihre heißen Heilquellen eine verdiente Berühmtheit erlangt hat. Den Namen des Orts leitet man vom Kaiser Karl IV. ab, welcher 1347 oder 1358 bei Verfolgung eines Hirsches auf der Jagd die heißen Quellen aufgefunden haben soll. Der Kaiser bediente sich auf Anrathen eines Arztes des Wassers und wurde durch dasselbe von einem Gichtschaden am Fuße vollkommen hergestellt. Dort, wo jetzt der Stadtthurm steht, baute Karl IV. ein Schloß und durch die Vorrechte, welche er Ansiedlern zusicherte, hatte sich 1370 schon ein so ansehnlicher Ort gebildet, daß derselbe den Rang einer Stadt erhalten konnte. Dieselbe liegt in einer höchst romantischen Gegend, zu beiden Seiten des Flusses Tepel in einem engen Thale. Sie ist freundlich gebaut, hat. mehre stattliche Gasthäuser mit geschmackvollen Sälen und ein nach dem Muster des manheimer erbautes Schauspielhaus. Eine große Anzahl mit Geschmack verschönerter und bequem eingerichteter Spaziergänge umgeben die Stadt, z.B. der Weg nach Klein-Versailles, welches auf einem abgeschiedenen Wiesengrunde liegt, der Weg nach Hammer, nach dem Hirschsprung, nach Findlater's Tempel und Spitzsäule und nach dem Belvedere, der Chotek'sche Weg, die Vieruhrpromenade, der Dreikreuzberg, der Hans-Heilingsfelsen an der Eger, die Ruinen von Engelhaus u.s.w. Die Anzahl der jährlich hier Heilung suchenden, aus den fernsten Gegenden Europas zusammenströmenden Brunnengäste ist sehr ansehnlich; man kann jährlich auf mehr als 6000 Personen rechnen. Genauere Untersuchungen haben zu der sehr wahrscheinlichen Vermuthung geführt, daß die sämmtlichen warmen Quellen, von denen acht zu Heilzwecken benutzt werden, aus demselben großen unterirdischen Behältniß entspringen. Eine Kalkdecke liegt über demselben und über diese fließt die Tepel, sowie auch ein großer Theil der Stadt auf derselben steht. Das Wasser hat einen eigenthümlichen faden animalischen Geruch und einen Geschmack, welcher dem von versalzener Hühnerbrühe vergleichbar ist. Läßt man dasselbe an der Luft stehen, so trübt es sich, und es scheidet sich endlich ein gelbbräunlicher Niederschlag ab. Legt man in die heißern Quellen einen festen Körper, so überzieht sich derselbe mit einer steinigen bräunlichen Schale, welche die sogenannten Sprudelsteine bildet. Genaue chemische Untersuchungen haben gezeigt, daß die verschiedenen Quellen nur durch ihren Wärmegrad sich unterscheiden, nicht aber in Bezug auf ihre Bestandtheile und deren Mischungsverhältnisse. Die verschiedenen medicinisch angewendeten Quellen sind folgende: 1) der Sprudel, welcher eine Wärme von 59–60° R. hat und einen mehre Fuß hohen Springquell von solcher Stärke bildet, daß in jeder Minute mehr als 25 Eimer Wasser emporgefördert werden, und dessen Wasser die Wärme so festhält, daß noch beim Abflusse desselben in die Tepel Federvieh in ihm abgebrüht wird und Eier gehärtet werden; 2) der neue Sprudel oder die Hygieasquelle in der Nähe des Sprudels, von derselben Temperatur, aber mit schwächerm Strahl; 3) der Neubrunnen, dessen Wasser eine Temperatur von 48–50° R. hat; 4) der Mühlbrunnen mit einer Temperatur von 45–47° R.; 5) der Theresienbrunnen oder Gartenbrunnen von 42–45° R.; 6) der Bernhardsbrunnen von 55–57° R.; 7) der hochgelegene Schloßbrunnen; 8) der Spitalbrunnen von 46° R. Die sechs zuletzt genannten Quellen liegen auf dem andern Ufer der Tepel. Der Spitalbrunnen wird nur von den Kranken des Bernhardhospitals benutzt. Merkwürdig ist, daß der Schloßbrunnen, welcher eine Temperatur von 40° hatte, 1809 plötzlich verschwand und 1823 wiederkehrte, aber ohne den frühern Wärmegrad wieder zu erreichen. Außer den genannten kommen noch in mehren Privatwohnungen heiße Quellen vor, welche aber nicht benutzt werden. In der Nähe der Stadt findet sich noch eine Quelle, ein sogenannter Säuerling, welcher kalt ist und nur selten medicinisch angewendet wird. – Das karlsbader Salz wird durch Abdampfen des Mineralwassers und wiederholte Krystallisation gewonnen und häufig zur Unterstützung der Cur und ihrer Nachwirkungen angewendet. Dafür, daß die verschiedenen Quellen untereinander zusammenhängen, zeugt auch der Umstand, daß, wenn die gewöhnliche Ausströmung des Wassers, des Dampfs und Gases aus mehren Quellen gehemmt wird, die übrigen Quellen sich desto stärker ergießen, oder wol sogar neue Öffnungen in der Sprudeldecke sich gewaltsam bilden, welche Sprudelausbrüche genannt werden. – Das Wasser der karlsbader Heilquellen wirkt auflösend und abführend auf den Darmkanal, ohne jedoch denselben gleich andern Abführungsmitteln [565] zu schwächen. Außerdem erstrecken sich aber seine auflösenden und erregenden Wirkungen auch noch auf andere Theile des Drüsen-und Lymphsystems. Die Krankheiten, in welchen er mit Erfolg angewendet wird, sind im Allgemeinen schlechte Verdauung und langwierige Verstopfung, skrophulöse Übel, Gallenstein, Gelbsucht, Magenschmerz, Hämorrhoidalbeschwerden, Hypochondrie, Gicht, Harnsteine und andere Krankheiten der Urinwerkzeuge, Hysterie, Bleichsucht, Fettsucht, langwierige Hautausschläge, Melancholie, verschiedene Nervenleiden u.s.w. Bei allen diesen Leiden kommt es jedoch wesentlich auf die Ursachen an, aus denen sie hervorgegangen sind, denn nur dann, wenn sie von Unthätigkeit der Organe, Schleimanhäufung u. dgl. abzuleiten sind, wird K. heilsam sein. Alle Kranke, welche aufregende Mittel vermeiden müssen, dürfen auch K. nicht brauchen, also solche, die durch Säfteverlust und andere schwächende Ursachen erkrankt sind, deren Blut zu Zersetzung geneigt ist, bei denen innere Vereiterung der Organe stattfindet. Schwangere, Vollblütige, Schwindsüchtige, Wassersüchtige, am Skorbut, organischen Fehlern des Herzens, Krebs, Venerie Leidende dürfen hiernach das karlsbader Wasser nicht trinken. Im Allgemeinen soll man sich desselben nicht ohne Anrathen und fortwährende Berathung des Arztes bedienen. Auch die Wahl der Quelle hängt von der Bestimmung des Arztes ab, denn wegen der verschiedenen Temperatur der Quellen ist ihre Wirkung auf den kranken Organismus sehr verschieden. Endlich muß der Kranke seine ganze Lebensweise, besonders in Bezug auf Essen und Trinken, den Vorschriften des Arztes gemäß einrichten, wenn ihm der Genuß des Wassers nicht vielmehr schaden als nützen soll. Frisches Obst, Backwerk, Salat und überhaupt alle sauren Speisen müssen streng gemieden werden. Nicht nur aber getrunken wird das karlsbader Wasser, sondern man wendet namentlich das Wasser des Strudels auch zu Klystiren, sowie zu Wannen- und Dampfbädern an. Die wohlthätigen Wirkungen des karlsbader Wassers treten selten früher als nach einer vierwöchentlichen Cur in dem Grade ein, daß man diese als beschlossen ansehen darf, in vielen Fällen erfolgt die Heilung erst nach wiederholtem Gebrauch in aufeinander folgenden Jahren oder in demselben Jahre nach einer Wiederholung des Trinkens. Die eigentliche Curzeit währt in K. vom Anfang Mai bis Ende September, und am besuchtesten ist das Bad von Mitte Juni bis Mitte August. – Neuere Schriften über K. sind: Ryba, »Karlsbad und seine Heilquellen, ein Handbuch für Curgäste« (Prag 1828); Gerle, »Böhmens Heilquellen« (Prag 1829), und der von dem Badearzte de Carro jährlich herausgegebene »Almanac de Carlsbad«.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 565-566.
Lizenz:
Faksimiles:
565 | 566
Kategorien: